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Die nächste Mauer

Netanjahu läßt Obama auflaufen

Von James Kling

Wer noch Zweifel hat, wie schlimm es um die Autorität des neuen US-Präsidenten Barack Obama, auf den sich in Europa immer noch viele Hoffnungen richten, muß sich nur die Art ansehen, mit der dieser Hoffnungsträger vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu behandelt wird. Gerade noch die diplomatische Mindestnorm wird eingehalten. Obamas Beauftragter Mitchell muß regelrecht um einen Termin betteln.

Jetzt hat ihm Netanjahu einige Zugeständnisse gemacht: Netanjahu will den Ausbau (!) der Siedlungen im Westjordanland zeitlich begrenzen. Dabei sollen aber bereits begonnene Bauvorhaben noch abgeschlossen werden und Ost-Jerusalem natürlich sowieso. Einer Zwei-Staaten-Lösung hat Netanjahu auch schon bedingt zugestimmt. Allerdings muß dabei Israel militärisch die Sicherheit garantieren, eine palästinensische Armee darf es nicht geben, Beschlüsse der neuen „Regierung“ Palästinas bedürften der Zustimmung Israels, außerdem würde selbstverständlich eine „Sicherheitszone“ im Jordangebiet bestehen bleiben. Selten hat man eine derart dreiste imperialistisch-rassistische Apartheitspolitik erlebt.

Doch Netanjahu, ein Politiker, der tatsächlich viel von der Lage im Nahen Osten versteht und weiß, welchen Spielraum er hat, weiß vor allem, was Obama braucht: einen Erfolg,der ihm gleichzeitig seine Grenzen aufzeigt. Obama steht an allen Fronten mit dem Rücken zur Wand und er kann es sich – will er nicht seine eigene Basis, die ständig bröckelt, spalten – nicht leisten, jetzt auch noch mit der mächtigen israelischen Lobby anzulegen.

Täte er es, wäre er schnell ein Papiertiger, bestenfalls eine Art Verwaltungschef. Netanjahu, der gesagt, er würde sich wundern, wenn die Araber ihre Heimat nicht genauso liebten wie die Israelis (deren Heimat überall sein mag, nur nicht in Israel), sieht seine Chancen, Fakten zu schaffen. Für alle Fälle hält er sich härteste Optionen (gegen die Hisbollah, Hamas, aber auch den Iran oder Syrien) offen. Im Vertrauen darauf, daß man ihn im Falle eines Falles schon nicht im Sinne nicht im Stiche lassen würde. Noch verfängt diese Methode.

Aber nicht mehr lange. Die Zeit arbeitet gegen die israelische Landnahme. Dafür sorgt allein schon die Reproduktionsrate (so kalt dieses Wort auch klingen mag). Auch die internationalen Kräfteverhältnisse, in deren Spannungsfeld sich nur die USA – aber auch schon nur unter dem „moralischen“ einer fanatischen Lobby – und die politisch zunehmend bedeutungsärmeren europäischen Länder als verläßliche Partner erwiesen. Eigentlich hat das zionistische Israel , was dessen Bewohnen durchaus wissen (nicht umsonst besorgen sich viele jüdische Israelis einen zweiten Paß), keine realistische Perspektive. Wer an die Zwei-Staaten-Lösung geglaubt hatte, muß jetzt zur Kenntnis nehmen, daß die israelische Reaktion diese nie ins Auge gefaßt hatte.

Was jetzt noch bleibt sind zwei denkbare Lösungen: die Bildung eines – möglichst entmilitarisierten – Staates für alle Einwohner des Landes, inclusive der ursprünglichen Bewohner und ihrer völlig ohne Rechtfertigung vertriebenen Nachkommen, auf säkularer Grundlage. Wie auch immer: Israel könnte man einen solchen Staat kaum nennen. Die andere Lösung wäre die Räumung. Doch dies auszusprechen fordert Mut und und eine klare Analyse derer Kräfteverhältnisse. Für Obama wäre es politischer Selbstmord. Darauf setzt Netanjahu.

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