Obama’s Presidency: Too Much Talk

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Obamas Präsidentschaft

Reden statt regieren

Von Matthias Rüb, Washington

12. September 2009 Die Regierungszeit des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten beginnt erst jetzt richtig. Bisher war alles nur Vorgeplänkel. Und es waren vor allem Versprechen Barack Obamas, die es noch einzulösen gilt. Das Gefangenenlager Guantánamo Bay etwa soll bis zum 22. Januar 2010 geschlossen werden. Das ist wegen des Streits über die Unterbringung der noch 229 Gefangenen sowie über deren Verfahren vor Militärtribunalen oder Zivilgerichten schon jetzt ein kaum noch fristgerecht zu erreichendes Ziel. Oder die Welt soll von der Geißel des drohenden Atomtods befreit werden – so will es eine am Freitag dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorgelegte Resolution Washingtons, die nach dem Willen des Weißen Hauses am 24. September in New York bei einer von Obama geleiteten Ratssitzung angenommen werden soll.

Ob Obamas Präsidentschaft erfolgreich sein wird, wird indes an Zahlen abgelesen werden: Um wie viel Prozent wächst die amerikanische Volkswirtschaft? Wie hoch sind Defizit, Schuldenberg und Arbeitslosenrate? Wie viel kostet die Amerikaner ihr Gesundheitswesen, und wie viele fallen dennoch – unversichert oder unterversichert – durch das großmaschige Netz in den finanziellen Ruin oder ins Grab? Wie viele Menschen werden im Irak, in Afghanistan und anderswo auf der Welt Tag um Tag von islamistischen Terroristen ermordet, und wie viele amerikanische Soldaten verlieren im Kampf gegen die Gesinnungsmörder ihr Leben?

Obama kämpft am Rednerpult um seine Gesundheitsreform

Obama hat seit seinem Amtsantritt am 20. Januar etwa 120 Reden gehalten – vor allem längere, vor kleinem und vor großem Publikum, für Radio, Fernsehen und Internet. Seine vorerst letzte monumentale Rede war jene zur heftig umkämpften Gesundheitsreform vom Mittwoch vor beiden Kammern des Kongresses; gewöhnlich wenden sich amerikanische Präsidenten nur im Januar mit ihrer “Rede zur Lage der Nation” an die im Plenum des Repräsentantenhauses versammelten Abgeordneten und Senatoren. Und auch seither hat Obama nicht geschwiegen: Bis zum Wochenende kamen Reden bei Gewerkschaftsversammlungen und Demonstrationen hinzu. Bald wird auch die ganze Welt – beim G-20-Gipfel in Pittsburgh und bei der UN-Vollversammlung in New York – noch mehr von Obama hören.

Mancher fragt sich, ob der Präsident vor lauter Reden auch noch zum Regieren kommt. Und mancher glaubt, er habe auch nach der Abreise von George W. Bush aus der Hauptstadt mehr vom Kandidaten Obama gesehen und gehört als vom Präsidenten Obama.

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Der hat zu seinem wichtigsten innenpolitischen Vorhaben die Reform des amerikanischen Gesundheitswesens gemacht. Deshalb hat Obama, nach einem für ihn katastrophal verlaufenen Sommer mit dramatisch sinkenden Zustimmungsquoten, die Initiative an sich gerissen. Manches spricht dafür, dass die Abgeordneten und Senatoren tatsächlich noch in diesem Jahr ein Gesetz zur Gesundheitsreform verabschieden werden – dank der Mehrheit der Demokraten in beiden Häusern und mit einigen Stimmen zentristischer Republikaner. Damit wird aber weder der giftige Parteienzwist überwunden, für den sich Demokraten und Republikaner naturgemäß gegenseitig verantwortlich machen, noch ist damit ein wesentlicher Beitrag zum Kampf gegen die Rezession geleistet. Gewiss, Obama und sein Kabinett haben von Bush die amerikanische Wirtschaft in gefährlicher Schlagseite übernommen. Das 787 Milliarden Dollar umfassende Konjunkturpaket vom Februar war kaum mehr als ein Rettungsring für den Supertanker der amerikanischen Volkswirtschaft. Trotz einiger Hoffnungszeichen, dass die schlimmste Rezession seit der Großen Depression nicht noch schlimmer wird, dürfte die Arbeitslosenquote in diesem Jahr zweistellig werden. Die Zahl der Zwangsversteigerungen steigt weiter. Defizit und Schulden sind schwindelerregend hoch. Der Dollar ist nachhaltig schwach.

In der Außen- und Sicherheitspolitik ist nicht zu erkennen, dass Obamas hartnäckige globale Charmeoffensive Erfolge bringen würde: Iran und Nordkorea lassen von ihren Atomprogrammen nicht ab, Syrien hintertreibt weiterhin den Friedensprozess im Nahen Osten und die Stabilisierung des Iraks, in Kuba ist trotz Lockerung der amerikanischen Sanktionen kein Fünkchen Demokratisierung zu sehen, und in Amerika wächst angesichts der wiedererstarkten Taliban und einer zweifelhaften Präsidentenwahl in Afghanistan die Kriegsmüdigkeit. Ob Obama trotz wachsenden Widerstands zumal in der eigenen Partei die von den Befehlshabern am Hindukusch wohl bald angeforderten zusätzlichen Soldaten nach Afghanistan schicken wird, steht dahin. Mit Iran und Nordkorea will Obama reden. Gewiss, manchmal können Worte die Welt verändern. Entschlossenes Handeln könnte aber auch nicht schaden.

Text: F.A.S.

Bildmaterial: AFP

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