Der Erfolgstest für Obamas Außenpolitik steht noch aus
Von Martin Klingst
24.09.2009
Kein Schwarzer Peter mehr für Washington: Der US-Präsident nimmt in seiner UN-Rede die Weltgemeinschaft in die Pflicht. Doch beim Thema Afghanistan blieb er auffällig zurückhaltend
Es war klar, dass die Vereinten Nationen Barack Obama in dieser Woche mit großem Applaus willkommen heißen. Tritt doch endlich wieder ein amerikanischer Präsident auf, der andere Nationen nicht ständig belehrt und schurigelt. Und dessen außenpolitisches Bekenntnis fast wie eine Blaupause des UN-Programms klingt: Ja, sagte er am Mittwoch vor der UN-Generalversammlung zu atomarer Abrüstung und zu mehr Klimaschutz. Ja, zu multilateraler Zusammenarbeit und den Menschenrechten. Ja, zu mehr Hilfe für die Armen und zu Friedenstruppen.
Das vielfache Ja war Balsam für die geschundene Seele der Weltgemeinschaft, und musste bei dieser Gelegenheit noch einmal betont werden. Doch diesen Obama kennt man bereits, so redet er von Anfang an.
Die eigentliche Überraschung seiner Ansprache lag deshalb in etwas ganz Anderem: Darin, wie er seine Worte wählte und setzte. Und darin, was er verschwieg.
Obamas erste Rede vor der UN
Anders als erwartet, begann Obama nicht mit einem großen “mea culpa”, mit einem Kniefall und einer Entschuldigung für die Verheerungen der Bush-Jahre. Stattdessen verwahrte er sich gegen pauschale Verurteilungen Amerikas, leichtfertige Schuldzuweisungen und überkommenes Schubladendenken.
Der Präsident versprach allen ein neues, friedliebendes Amerika. Zugleich aber rief er den anderen rund 190 Staaten zu, sie sollten sich, bitteschön, an die eigene Nase fassen und fragen, ob sie ihre eigene Verantwortung für eine bessere Welt wahrnähmen. Treffsicher legte der Präsident seinen Finger auf diese schwärende Wunde, denn vielen Regierungen passt es gut in den Kram, den Schwarzen Peter Washington zuzuschieben – und sich selber bequem zurückzulehnen.
Es überraschte ebenso, dass Obama vor aller Weltöffentlichkeit insbesondere Israelis und Palästinenser ins Gebet nahm. Sein Appell an die Bösewichte Nordkorea und Iran wirkte dagegen fast beiläufig.
So gut wie kein Wort verlor der Präsident über Afghanistan und den Krieg dort, den er selber als “notwendig” bezeichnet. Dabei hätte die Weltgemeinschaft sicherlich gerne gehört, wie Barack Obama aus diesem Schlamassel herauszukommen gedenkt.
Im Saal saßen viele, die dieser Krieg direkt betrifft. Die Lage am Hindukusch ist fatal, die bisherige Strategie taugt nicht, der neue Nato-Oberbefehlshaber fordert mehr Truppen, die Verbündeten drohen von der Fahne zu gehen und auch die Mehrheit der Amerikaner zweifelt immer mehr am Sinn dieses Waffengangs.
Obama grübelt derzeit über eine Veränderung der Afghanistan-Strategie. Man kann deshalb nachvollziehen, warum er jetzt und vor dieser Öffentlichkeit nicht seine Überlegungen darlegen wollte. Aber die Alternative zu totaler Gedankenoffenbarung ist nicht das tiefe Schweigen.
Kaum hatte Barack Obama vor der UN-Generalversammlung den letzten Satz gesprochen, bilanzierten bereits seine politischen Gegner daheim wie in aller Welt: “Worte, nichts als schöne Worte!” Als hätte er es auf einen prompten Gegenbeweis angelegt, präsentierte der Präsident kurz darauf die ersten Taten. Sie sind das Ergebnis zäher Verhandlungen hinter den Kulissen.
Plötzlich schließt Russland schärfere Sanktionen gegen Iran nicht mehr aus. Und China und Russland unterstützen Obamas Wunsch nach strengeren Regeln im Nichtverbreitungsvertrag für Atomwaffen.
In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob Barack Obama endlich der außenpolitische Durchbruch gelungen ist, zum Beispiel am 1. Oktober, wenn in Genf über Iran verhandelt wird. Der Erfolgstest für seine “Diplobamacy” steht noch aus.
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