Revolt of the Generals

<--

Aufstand der Generäle

Von Dietmar Ostermann

Es ist eine der folgenschwersten Entscheidungen seiner Präsidentschaft, und Barack Obama wollte sie in Ruhe und nach reiflicher Überlegung treffen. Mit der Ruhe aber ist es vorbei, seit zivile und militärische Spitzen in Washington in aller Öffentlichkeit über die künftige Afghanistan-Strategie streiten. Protagonist der einen Seite ist Afghanistan-Kommandeur Stanley McChrystal. Der von Obama erst im Juni eingesetzte General hatte Ende August einen düsteren Lagebericht nach Washington gekabelt. Er empfiehlt, bis zu 40000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu verlegen. Mit einer auf den Schutz der Zivilbevölkerung ausgerichteten Strategie und dann womöglich mehr als 100 000 US-Soldaten soll der Vormarsch der Taliban gestoppt werden.

Nachdem seine Empfehlung in Washington auf Skepsis stieß, schien der General den seit Wochen zögernden Präsidenten öffentlich unter Druck setzen zu wollen. In einer ungewöhnlichen Rede vorige Woche in London warnte McChrystal, eine nur auf die Bekämpfung von El-Kaida-Terroristen ausgerichtete Strategie sei in Afghanistan ein Rezept für Chaos. Seither wird in Washington über ernsthafte Zerwürfnisse zwischen der zivilen und militärischen Führung spekuliert. Sogar von einem Aufstand der Generäle ist die Rede.

Zerwürfnisse zwischen Präsidenten und ihren Generälen gab es in den USA immer wieder. Harry Truman zog 1951 General Douglas McArthur aus Korea ab, nachdem der den Krieg gegen den Willen Washingtons eskalieren wollte. In Vietnam behielten viele Militärs schwere Zweifel lange für sich. Zuletzt fügte sich das Pentagon vor der Irak-Invasion 2003 nur widerwillig den Vorgaben des damaligen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld, den Krieg mit möglichst wenig Truppen zu führen. Der einzige General, der öffentlich Widerspruch wagte, Armeechef Eric Shinseki, wurde abgekanzelt und in den Ruhestand geschickt. Seine Warnung, für eine Stabilisierung Iraks werde man deutlich mehr Truppen benötigen, wurde später von Kritikern der Bush-Regierung, auch von Obama, als prophetisch gewertet. Im Januar holte der neue Präsident Shinseki als Veteranen-Minister in seine Regierung.

Nun aber tut auch Obama sich mit dem militärischen Ratschlag seines Afghanistan-Kommandeurs schwer. Zwar hatte der Präsident noch vor sieben Wochen erklärt, Afghanistan sei ein “notwendiger” Krieg, Taliban und El Kaida dürfe man dort keinen sicheren Unterschlupf gewähren. Im Februar hatte Obama die US-Truppen am Hindukusch bereits um 21000 Mann auf 68000 aufgestockt. Vor allem seit der von massivem Wahlbetrug begleiteten afghanischen Präsidentschaftswahl aber wachsen im Weißen Haus die Zweifel, ob sich Afghanistans Probleme durch noch mehr Truppen lösen lassen. “Eine Lehre aus Vietnam ist, dass wir in dieser Art von Kriegen keinen Erfolg haben können, wenn wir keinen überlebensfähigen heimischen Partner haben”, erinnert der Militärexperte Michael O´Hanlon.

Berater wie Vizepräsident Joe Biden raten zu bescheideneren Zielen: Eindämmung der Taliban, Luftschläge gegen El Kaida. “Das ist genau das, was uns in die gegenwärtige Lage gebracht hat”, sagt hingegen Afghanistan-Kenner Peter Bergen. Am Ende muss sich Obama entscheiden, ob er die Hoffnung auf ein stabiles Afghanistan noch für realistisch hält.

Erscheinungsdatum 07.10.2009

About this publication