Der Westen ließ sich von Karsai missbrauchen
Von Thomas Schmid
16. Oktober 2009
Für die Fortschritte in Afghanistan sind vor allem Truppen und zivile Helfer aus dem Westen verantwortlich, kaum aber der Präsident des Landes, über den man seit Langem spottet, seine Macht ende am Gitter des Palastes, den er bewohnt. Es war ein Fehler, so lange an Hamid Karsai festzuhalten.
Spät, aber vielleicht nicht zu spät. Es wird wohl amerikanischer Druck gewesen sein, der nun vielleicht möglich macht, was bisher ausgeschlossen schien: dass es in Afghanistan zu einem zweiten Gang der Präsidentenwahl kommt. Damit wäre endgültig die Zeit vorbei, in der sich Hamid Karsai, der bisherige Präsident des Landes, dank ausländischer Unterstützung seines Amtes sicher sein konnte. Das wäre gut so. Viel zu lange hat sich der Westen von dem ansehnlichen Herrn mit den eleganten Umhängen und den pittoresken Karakulmützen beeindrucken und missbrauchen lassen.
Als im November 2001 bei Bonn die afghanischen Stammesfürsten zu einer Konferenz über die Zukunft des Landes zusammenkamen, war schnell vom „Wunder vom Petersberg“ die Rede. Der so zivilisierte und wie ein personifizierter Vermittlungsausschuss wirkende Karsai werde, so die Hoffnung, der rechte Mann sein, um dem gequälten und verwüsteten Land neue Perspektiven zu weisen.
Viel ist seitdem in Afghanistan geschehen, um ein wenig Stabilität zu schaffen. Doch dafür waren vor allem Truppen und zivile Helfer aus dem Westen verantwortlich – kaum aber der Präsident des Landes, über den man seit Langem spottet, seine Macht ende am Gitter des Palastes, den er bewohnt.
Weil es niemand anderen zu geben schien, hielt der Westen – ein schon oft gemachter Fehler – an ihm fest. Um eine einmal getroffene Entscheidung nicht zu widerrufen, hat er damit die Instabilität weiter gefördert. Deswegen ist es gut, wenn jetzt mit vermutlich gar nicht sanftem Druck ein neuer Wahlgang erzwungen wurde.
Ein trotz Wahlbetrugs weiter „regierender“ Karsai wäre ein Signal dafür gewesen, dass der Westen gar nicht die Hoffnung hat, Afghanistan könne auf eigene Beine kommen. Auf Dauer zahlt es sich nicht aus, willfährige Galionsfiguren finanziell und politisch zu alimentieren.
Kommt es zu einem zweiten Wahlgang, kehrt wenigstens ein Stück jener Kultur der Konkurrenz und des Dissenses ein, die Sauerstoff für das Heranwachsen einer stabilen politischen Struktur ist.
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