Hillary Clinton’s Inscrutable Politics

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Die unergründliche Politik der Hillary Clinton

Von Ansgar Graw

25. Oktober 2009

Als US-Außenministerin spielt Hillary Clinton nur noch die zweite Geige neben diversen Sondergesandten, sagen die einen. Sie hält sich bei heiklen Themen aus der Schusslinie, sagen die anderen. Egal, ob Kalkül oder Schwäche: Für Clinton zahlt es sich aus. Die ehemalige First Lady ist die beliebteste Politikerin der USA.

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„Irgendwie finde ich es gut, Präsidentin zu sein“, sagte Hillary Rodham Clinton. Die amerikanische Außenministerin formulierte das augenzwinkernde Bekenntnis Ende September, als sie bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York zu präsidieren hatte. Die Diplomaten lachten und applaudierten. Generalsekretär Ban Ki-moon, dem die einstige First Lady anschließend das Wort erteilte, ulkte: „Danke, Frau Präsident.“

In jedem guten Witz steckt ein wahrer Kern. Noch im Frühjahr vorigen Jahres wurden Clinton beste Chancen eingeräumt, als erste Frau Präsidentin der USA zu werden. Erst im Juni 2008 stand endgültig Obama als Kandidat der Demokraten fest. Der Rivale von damals ist heute ihr Boss – und mancher meint, Hillary Clinton, die immer wieder ihre strikte Loyalität zu Obama betont, hoffe insgeheim auf dessen Verschleiß in den Debatten über Afghanistan und Gesundheitsreform und auf die Perspektive, dann doch noch das mächtigste Amt der Welt selbst übernehmen zu können.

„No, no, no“, antwortete die Chefin des State Department Mitte des Monats dem Fernsehsender ABC auf die Frage, ob sie noch einmal für das Präsidentenamt kandidieren werde. Was aber, wenn maßgebliche Kräfte in der Partei die Ministerin eines Tages zu einem erneuten Versuch aufrufen sollten? Als Gattin von Präsident Bill Clinton lernte die profilierte Juristin in zwei Legislaturperioden das Leben im Weißen Haus kennen. Dass Obama die spätere Senatorin für den Bundesstaat New York Anfang 2009 zu seiner Chefdiplomatin machte, überraschte nicht nur die Öffentlichkeit. „Oh nein, das machst du nicht“, antwortete sie verblüfft auf sein Angebot.

Heute leitet Clinton das State Department mit geringer Außenwirksamkeit. Die internationalen Beziehungen hat Obama zur Chefsache gemacht. Als die Ministerin dieser Tage eine Rede zur Rüstungskontrolle und Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen hielt, war das mediale Echo wieder einmal ausgesprochen gering. Schließlich hatte Obama identische Ziele und Forderungen längst persönlich formuliert.

Der Präsident ernannte auch ohne erkennbare Einbeziehung seiner Fachministerin Sondergesandte für zentrale außenpolitische Krisenherde wie Afghanistan und Pakistan, Nahost und Darfur. Clinton durfte vorige Woche zwar die Neuformulierung der Washingtoner Sudan-Strategie verkünden. Aber Obamas Sondergesandte Scott Gration hatte die Linie, die auf Einbindung und Anreize statt auf Isolierung setzt, seit Monaten öffentlich angekündigt. Clinton, die einen „Genozid“ in der sudanesischen Region Darfur beklagt und deshalb für eine kompromisslose Haltung gegenüber dem Regime warb, musste sich beugen.

In der Debatte um „AfPak“ sind es Vizepräsident Joe Biden, Verteidigungsminister Robert Gates und Spitzenmilitärs, die öffentlich debattieren, ob und in welchem Umfang zusätzliche Truppen nach Afghanistan geschickt werden müssen. Von Clinton, die wie der schon unter Bush ins Amt gekommene Gates für einen „mittleren Weg“ mit einer nicht zu gewaltigen Truppenerhöhung plädiert, ist in der Öffentlichkeit kaum etwas zu hören.

Doch diese vermeintliche Schwäche in der Selbstdarstellung kann rasch zur Stärke werden. Weil sich Clinton in der Afghanistan- wie in der Nahost-Debatte erkennbar zurückhält, wird sie nur bedingt für militärische Desaster und Fehlentwicklungen haftbar gemacht. Innenpolitische Grabenkämpfe rund um Gesundheitsreform, wachsende Arbeitslosigkeit und das Konjunkturpaket kontaminieren eine Außenministerin ohnehin nicht.

Während der einst für eine überparteiliche Regierungsführung werbende Obama inzwischen in der Innenpolitik harte Kanten zeigt, verzichtet Clinton auf öffentliche Konfrontation. Die aktuellen Ergebnisse einer Gallup-Umfrage geben ihr recht. Mit 62 Prozent liegt sie in der Beliebtheitsskala jetzt auf Platz eins – vor Obama. Der Präsident, der im Januar sensationelle 78 Prozent erreichte, ist auf 56 Prozent abgerutscht.

Clinton übertrifft selbst die populäre First Lady Michelle Obama inzwischen um einen Prozentpunkt. Das mag der Außenministerin als besonderer Triumph gelten. Michelle Obama soll im Wahlkampf Pläne ihres Mannes torpediert haben, Clinton zur Vizepräsidentin zu machen. „Willst du wirklich, dass Bill und Hillary bei uns im Weißen Haus wohnen, nur den Flur runter?“, soll sie gewarnt haben.

Ob sie außerhalb des inneren Machtzirkels und „marginalisiert“ sei, wurde Clinton unlängst gefragt. Sie fand die Frage „absurd“. Abhängig von ihren Terminen und denen des Präsidenten treffe sie Obama in der Woche „ein- bis zehnmal“. Darum sei sie keineswegs „frustriert“, sondern von ihrer Aufgabe begeistert. Diplomaten im State Department loben die schnelle Auffassungsgabe und die Fähigkeit Clintons, sich in Probleme präzise hineinzuarbeiten. Im Kabinett gilt sie als stets bestens vorbereitet – und das nicht nur auf Themen ihres eigenen Ressorts.

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