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Mutig nur beim Klimaschutz

Von Martin Klingst

Das lieben die Amerikaner: Die Kanzlerin erzählte vor dem US-Kongress von ihrer Sehnsucht nach Freiheit in der DDR. Ansonsten blieb sie im Ungefähren – außer mit ihrem Appell an die US-Politiker, mehr für den Klimaschutz zu tun.

Sie wurde mit warmem Applaus bedacht, mitunter sogar mit Hochrufen, Senatoren und Abgeordnete standen Spalier. Dies war der Tag von Angela Merkel, eine Sternstunde ihres Amtes und ihrer politischen Karriere. Denn diese Ehre, vor beiden Häusern des amerikanischen Kongresses zu sprechen, wird nur wenigen Regierungsoberhäuptern zuteil.

Angela Merkel wurde ausgezeichnet als Bundeskanzlerin des wiedervereinigten Deutschlands, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer. Und wegen ihrer besonderen Biographie. Wie dem schwarzen Obama aus Hawaii, war es auch der Ostdeutschen nicht in die Wiege gelegt, in höchste Staatsämter aufzusteigen. Ihre Karrieren waren eher unwahrscheinlich und Gegenstand der Märchenwelt.

Vierzig Minuten sprach Merkel vor vollem Haus. Es war keine großartige, aber ein große Rede. Wie es die Amerikaner lieben, erzählte sie von sich und ihrem Leben hinter Stacheldraht. Von der Sehnsucht nach Bluejeans und Freiheit – und dem großen, unfassbaren Augenblick, als sie Mauer fiel, sie in den Westen durfte, um ihren eigenen “amerikanischen Traum” leben zu können.

Allgemeiner Applaus war ihr auch sicher, als sie Amerika für die Luftbrücke und die Truppen dankte, als sie sich vor den unzähligen Opfern der Nazizeit verbeugte, energisch für das Existenzrecht Israels eintrat und sagte: “Eine Atombombe in der Hand des iranischen Präsidenten darf es nicht geben!”

US-Besuch: Merkel dankt und fordert Klimaschutz

In einer Rede vor beiden Häusern des US-Kongresses hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den US-Amerikanern gedankt. Sie forderte weltweit verbindliche Einigungen zum Klimaschutz

Freundlich klatschte man auch, als die Kanzlerin sich zu Deutschlands internationalen Verpflichtungen wie der Teilnahme am Afghanistan-Einsatz bekannte. “Partnership in leadership”, nannte sie das. Allerdings blieb sie eine Antwort schuldig, was genau sie darunter versteht. Zum Beispiel, ob sie dem Drängen Obamas nachgeben und mehr deutsche Truppen entsenden wird.

Überhaupt, blieb sie oft nur im Ungefähren – bis auf einen einzigen, mutigen Punkt. “Ich freue mich, ” sagte sie, “dass Präsident Obama und Sie in Ihrer Arbeit dem Schutz unseres Klimas eine hohe Bedeutung beimessen. Wir alle wissen: Wir haben keine Zeit zu verlieren… Wir brauchen eine Einigung auf ein Ziel: Die globale Erwärmung darf zwei Grad Celsius nicht überschreiten.” Und weiter und konkreter noch: “Dafür brauchen wir die Bereitschaft aller Länder, international verbindliche Verpflichtungen zu übernehmen.”

Damit stieß sie mitten in ein amerikanisches Wespennest. Die meisten Demokraten riss es begeistert von den Stühlen, die meisten Republikaner blieben sitzen, grummelten oder schüttelten den Kopf. Denn dieser Tage ist der Streit über das amerikanische Klimaschutzgesetz und Amerikas Beitrag für die Kopenhagener Konferenz wieder voll entbrannt.

Fast alle Republikaner und einige Demokraten sperren sich sowohl gegen ein nationales Emissionsgesetz als auch gegen international verbindliche Vorschriften. Sie fürchten Wettbewerbsnachteile für die Kohleindustrie, teure Strompreise für den Verbraucher und zweifeln sowieso daran, dass die Erderwärmung menschengemacht ist.

Für diese wichtigen, deutlichen Worte gebührt Angela Merkel Respekt und Beifall. Das tröstet auch darüber hinweg, dass andere Teile ihrer Rede manchmal kleinkariert daher kamen. In ihren Ausführungen zur deutschen Einheit erwähnte sie Helmut Kohl und etliche amerikanische Präsidenten, aber mit keinem Wort Willy Brandt, den Vater der Ostpolitik, den Friedensnobelpreisträger, der nach dem Fall der Mauer weise sprach: “Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört.”

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