Merkel’s American Dream

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Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigt in ihrer Rede im US-Kongress vor allem den amerikanischen Freiheitswillen mit Blick auf den Mauerfall – doch es gab auch ein schwierigeres Thema.

Was Konrad Adenauer 1957 in den USA sagte

Die Ouvertüre deutete bereits an, wie dieses Kanzlerstück enden und vom amerikanischen Publikum aufgenommen werden würde: Die Leitmelodie, der stolze Rückblick auf Amerikas helfende Hand bei der deutschen Einheit vor 20 Jahren, blieb in aller Munde. Nicht ganz so leicht fiel es der Kanzlerin, mit dem zweiten Grundmotiv Gehör zu finden: dem Wunsch nach einem substanziellen Beitrag der USA zum Klimaschutz beim Gipfel in Kopenhagen in vier Wochen.

Um 9.15 Uhr am Dienstagmorgen begrüßte ein lockerer und lachender Präsident die Kanzlerin im Oval Office des Weißen Hauses und gratulierte ihr gleich eingangs, dass sie wenig später vor den versammelten Abgeordneten und Senatoren sprechen werde. Nur ein Kanzler hatte vor ihr die Ehre gehabt, Konrad Adenauer im Mai 1957. Obama lobte, sie sei eine „außerordentliche Verbündete“ und spiele „eine führende Rolle“ in der Weltpolitik. Sie habe die Diktatur noch am eigenen Leib erfahren, leitete er zu dem für Amerika so wichtigen Ideal über: dem Sieg der Freiheit über den Kommunismus. Merkel antwortete deutsch: Sie danke für die Ehre, und sie freue sich auf den Meinungsaustausch zur Klimapolitik, zu Afghanistan und Iran. Doch die Übersetzung ließ einige Zeit auf sich warten. In die Pause hinein flachste Obama: „Ich glaube, was sie gesagt hat, war gut.“ Da ging der Inhalt der Übersetzung im Lachen ein wenig unter.

Diesmal fragt keiner mehr, ob es im persönlichen Umgang zwischen Barack Obama und Angela Merkel an Herzlichkeit fehle, wie noch bei ihrem Besuch im Juni. Die Körpersprache zeigt: Die zwei verstehen sich. Und ihre Formulierungen verraten, dass ihnen bewusst ist, was sie von einander erwarten dürfen und was nicht. Obama weiß, dass ihr Klimaschutz wichtig ist und sie ihm nicht mehr deutsche Soldaten für Afghanistan versprechen kann. Sie versteht, dass die Gesundheitsreform und Afghanistan für Amerika höhere Priorität haben als der Klimaschutz – und dass er keine internationale Verpflichtung eingehen kann, die nicht vom Kongress mitgetragen wird.

Eine gute Stunde später zeigt Amerikas Demokratie, zu welchem Pomp sie fähig ist. Abgeordnete und Senatoren sind im Kongress versammelt, in feierlichem Zeremoniell zieht das Diplomatische Corps in den Saal, unter den wachsamen Augen der Sprecherin des Abgeordnetenhauses Nancy Pelosi und des Vizepräsidenten Joe Biden, der zugleich Vorsitzender des Senats ist. Pelosi hat Merkel zu der Rede eingeladen: politische Frauenpower auf beiden Seiten des Atlantik.

Merkel trägt feierliches Schwarz, das nur durch das weiße Dreieck ihrer Bluse im V-Ausschnitt der Kostümjacke aufgelockert wird. Der Großteil ihrer Rede ist eine Eloge auf die deutsch-amerikanische Geschichte seit 1945, sogar mit einer guten Portion von für sie eher untypischem Pathos: Dank für die Befreiung von der Nazidiktatur, den Schutz vor der sowjetischen Bedrohung in der Luftbrücke, Kennedys Versprechen „Ich bin ein Berliner“, Reagans Forderung „Mr. Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!“ Im Publikum sitzt – auf Merkels Bitte – Fritz Stern. Der aus Deutschland rechtzeitig geflohene Jude und sie, die Ostdeutsche, der Westverwandte verbotene Bücher und Blue Jeans mitbrachten, sind in ihrer Rede die lebenden Beweise für den Freiheitswillen der USA und die Stärke des „American Dream“. Immer wieder erntet sie Applaus.

Damit ist der Ton gesetzt und sind die Ohren geöffnet für aktuelle Aufgaben: Frieden im Nahen Osten, die Verhinderung iranischer Atomwaffen, Afghanistan und der wirtschaftliche Ausgleich mit Entwicklungs- und Schwellenländern. Ganz zum Schluss kommt sie zum Klima. Diese Bedrohung der Erde sei heute die Mauer, die durch internationale Kooperation eingerissen werden müsse. Ihre Erwartung an die USA verpackt sie als Lob: Sie wisse, wie sehr Klimaschutz Präsident Obama am Herzen liege. Der Kongress klatscht ausgiebig. Wann er handeln wird, ist eine andere Frage.

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