Warship Propaganda

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Kriegsschiff als Propagandavehikel

Von Andres Wysling

Die «USS New York», das neue Kriegsschiff mit Stahl vom World Trade Center im Bug, wird inszeniert als nationales Heiligtum. Es soll nicht nur Truppen und Material transportieren, sondern darüber hinaus die Ideologie des nationalen Schulterschlusses im Kampf gegen die Feinde Amerikas.

Das amerikanische Kriegsschiff «USS New York» mit der Matrikelnummer LDP-21 wird heute Samstag in New York offiziell in Betrieb genommen. Um das Ereignis und um das Schiff herum wird eine Schau inszeniert, deren Zweck es offenkundig sein soll, nationale Ergriffenheit und kriegerische Entschlossenheit hervorzurufen. Einmal mehr wird an das 9/11-Trauma erinnert, mit der Botschaft, dass dieses nun bewältigt wird – mit militärischer Macht.

Im Bug der «USS New York» sind 7,5 Tonnen Stahl der eingestürzten Zwillingstürme von New York verarbeitet. Mit dem Eisenschrott von «Ground zero» wird das Schiff in einen geradezu mythischen Status erhoben, es wird zur nationalen Reliquie, zur geheiligten Ikone.

Aufruf zum nationalen Schulterschluss

Das Schiff hat, wie jedes grössere amerikanische Kriegsschiff, seine eigene Website: www.ussnewyork.com. «Aus der Asche des 9/11 steigt ein Schiff, geschmiedet aus dem Stahl des World Trade Center», heisst es da zur Begrüssung. Und weiter: «Im September 2001 trugen die Feinde unserer Nation ihren Kampf nach New York. – Die ‘USS New York’ wird jetzt den Kampf zu den Feinden unserer Nation zurücktragen, weit in die Zukunft.» So klingt ein Aufruf zum nationalen Schulterschluss.

Dieses Landungsschiff für amphibische Operationen ist nicht nur dazu bestimmt, Truppen und militärisches Gerät an Einsatzorte in Übersee zu bringen. Vielmehr soll es auch eine politische Botschaft übermitteln, vor allem an das einheimische, amerikanische Publikum. Es dient der geistigen Landesverteidigung auf amerikanische Art, es soll zur moralischen Aufrüstung beitragen.

Die «USS New York» auf dem Hudson in New York.

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Das Schiff wurde beim Einlaufen in den Hafen von New York am 2. November von Angehörigen der Terroropfer des 11. Septembers 2001 in Empfang genommen, im Rahmen einer feierlichen Zeremonie. In den letzten Tagen war es für das Publikum zugänglich, und viele New Yorker benützten die Gelegenheit zu einer Besichtigung. Sie staunten über die hier aufgebaute militärische Hardware, sie spielten an Granatwerfern und andern Waffen, sie trafen Soldaten und Veteranen. Einen Eindruck von dieser maritimen Waffenschau am Hudson gibt die Website www.militaryphotos.net.

Propaganistischer Zweck

Die «USS New York» war schon ein Propagandavehikel, als sie noch als Projektskizze auf dem Reissbrett im Entstehen begriffen war. Ein Jahr nach dem Terroranschlag von des 11. September wurde in New York eine Zeremonie zur Namensgebung veranstaltet. Gouverneur Pataki sagte damals: «Die USS New York wird dafür sorgen, dass alle New Yorker und die Welt die bösen Angriffe vom 11. September nie vergessen werden.» An diese propagandistische Zweckbestimmung – sie passte gut in die Zeit des amerikanischen Aufmarschs zum Irak-Krieg – wurde auch bei der Schiffstaufe Anfang 2008 wieder erinnert.

Am 12. November soll das Kriegsschiff «USS New York» mit seinen kantig-markanten Formen zu seinem ersten Einsatz in See stechen, zum Krieg gegen die «Feinde unserer Nation». Doch unterdessen wird der Krieg gegen den Terrorismus, so wie er unter Präsident George Bush geführt wurde, in Amerika zunehmend in Frage gestellt. Die kritische Diskussion über Ziele und Strategie und Beendigung dieses Krieges ist in vollem Gange. Die «USS New York»-Propaganda mit ihrer pathetischen Geste wirkt heute seltsam überholt.

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