Der Kampf um ein faires Verfahren im 9/11-Prozess
Von Torsten Krauel
15. November 2009, 15:55 Uhr
Der Prozess gegen die Planer des Terrorangriffs von 9/11 hat für die USA ähnliche Dimensionen wie die Nürnberger Prozesse in Deutschland. Für das US-Rechtssystem ist das eine ungeheure – vielleicht eine unmögliche Herausforderung. Denn ein faires Verfahren scheint fast unvorstellbar.
Hauptverdächtige vom 11. September vor US-Gericht
Foto: dpa
Zehn Jahre nach den Angriffen des 11.September oder sogar schon etwas früher kommen die Planer des Angriffs am Ort ihres Verbrechens vor Gericht. Osama Bin Laden und sein Stellvertreter Aiman Al-Sawahiri fehlen noch auf der Anklagebank. Die anderen aber, insbesondere auch das überlebende Mitglied der Hamburger Terrorzelle, Ramsi Binalschibb, werden dort einen Jahrhundertprozess erhalten.
Das Verfahren ist für das US-Rechtssystem eine ungeheure Herausforderung. Die Fairness von Prozessen war eine Kernforderung der Revolutionäre von 1776. Es erscheint fast unvorstellbar, dass es gegen die Urheber von 9/11 ein faires Verfahren geben könnte.
Genau das aber ist die Absicht Barack Obamas. Mehrere Angeklagte wurden bei Verhören schwer misshandelt. Das wird es schwer machen, das amerikanische Verfassungsverbot erzwungener Aussagen zu erfüllen.
Justizminister Eric Holder glaubt, er könne das garantieren. Er glaubt auch, er könne den Haupteinwand George W. Bushs gegen Terrorprozesse vor Strafgerichten statt Militärkommissionen entkräften – die von der Verfassung für Strafverfahren vorgeschriebene vollständige Offenlegung aller Informationen, die zur Anklage führten.
Der Drahtzieher der New Yorker Anschläge
Die Herausforderung für Deutschland wird wahrscheinlich die so gut wie feststehende Todesstrafe sein. Justizminister Holder wird sie beantragen und glaubt, die Vorwürfe ließen kein anderes Strafmaß zu. Amerika, besonders jenseits der Metropolen, wartet auf eine feierliche Geste der Genugtuung für die dreitausend Ermordeten. Sie wird wohl in der Anwesenheit von Angehörigen bei der Hinrichtung ihren Ausdruck finden.
Der Kontrast zwischen der Heimsuchung, die der 11.September in den USA bedeutete, und einer historisierten Sichtweise in Deutschland wird bei dem Thema in Fragen an Amerika münden. Obama, ein Hinrichter?!
Vielleicht wäre lebenslang für die Täter tatsächlich die schlimmere Strafe. Doch für Amerikaner ist die Todesstrafe mehrheitlich immer noch eine gerechte Sühne. Deutsche fühlen meistens anders.
Das Land enthält sich aber der Stimme zur Frage, ob es besser gewesen wäre, Hermann Göring und die anderen in Nürnberg Hingerichteten wären in der Bundesrepublik noch unter uns gewesen.
Der Prozess um den 11.September hat in den USA eine Nürnberger Dimension, denn der Angriff war versuchter Genozid. Ohne entsprechendes Urteil wird Amerika seinen Blick vom Septembertag nicht lösen.
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