Obama Returns Empty-handed

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Zurück mit leeren Händen

Von Rainer Rupp

19.11.2009

Bilanz des China-Besuchs: US-Präsident Obama versuchte vergeblich, die Führung in Peking für die Durchsetzung amerikanischer Ziele zu instrumentalisieren

Die amerikanisch-chinesischen Beziehungen seien »noch nie so wichtig für unsere gemeinsame Zukunft« gewesen, predigte US-Präsident Barak Obama in dieser Woche während seines Besuchs in Peking. Nachdem er bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem chinesischen Amtskollegen Präsident Hu Jintao in höchsten Tönen die Wirtschaftserfolge der Volksrepublik gelobt hatte, brachte Obama behutsam die amerikanische Forderung nach einer Aufwertung der chinesischen Währung vor, denn offensichtlich will Washing­ton den Bankier Amerikas nicht verprellen. Fingerspitzengefühl zeigte der US-Präsident folglich auch, als er die für westliche Besucher obligatorische Tibet-Frage anschnitt und sich für direkte Gespräche zwischen der Führung in Peking und dem Dalai Lama einsetzte. Zugleich unterstrich er aber mit klaren Worten, daß Tibet ein integraler Bestandteil der Volksrepublik ist, was von seinen Gastgebern in Peking mit besonderer Befriedigung aufgenommen wurde.

Eher gelangweilt als irritiert reagierte die chinesische Führung, als Obama vor 500 Studenten in Schanghai die Pressefreiheit anmahnte und selektiv auf der Einhaltung der bürgerlichen Menschenrechte pochte, während er die sozialen unerwähnt ließ. In einem Artikel in der New York Times, der vor dem Hintergrund von Obamas Asien-Reise in der vergangenen Woche erschienen war, hatte Kishore Mahbubani, Professor an der National University in Singapur, unter dem Titel »Wessen Ende der Geschichte?« darauf aufmerksam gemacht, daß die USA in bezug auf die Menschenrechte in ganz Asien längst den letzten Rest ihrer Glaubwürdigkeit verloren haben. Allerdings hätten die westlichen Eliten bisher immer noch nicht erkannt, »welchen Schock Guantánamo weltweit ausgelöst« habe.

Die von Francis Fukuyama aufgestellte These vom »Ende der Geschichte«, schrieb Kishore Mahbubani am vergangenen Donnerstag weiter, habe auf der Annahme gegründet, daß nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion der Westen für die ganze Welt »ein Leuchtturm für Demokratie und Menschenrechte« sein würde. Niemand hätte jedoch 1989 geahnt, daß innerhalb der nächsten 15 Jahre der bedeutendste »Leuchtturm« des Westens die Folter wieder einführen würde. Folglich reagiere man in Asien mit ungläubigem Unverständnis, wenn heute Intellektuelle und Regierungsvertreter aus dem Westen von anderen Ländern die Einhaltung der Menschenrechte einforderten »und dabei sich selbst und ihre eigenen Regierungen als nachahmenswerte Beispiele anpreisen«. Genau dies hatte auch Obama bei seinem China-Besuch in dieser Woche getan. Kein Wunder, daß einer seiner studentischen Zuhörer aus Schanghai kühl in die Kamera der ARD-Tagesschau sagte, man werde den US-Präsidenten nicht an seinen schönen Worten, sondern an seinen Taten messen.

Auch sonst werde in Asien in den letzten Jahren verstärkt »das Rad der Verwestlichung zurückgedreht«, betonte Professor Mahbubani, nicht zuletzt, weil der Westen mit seinem neoliberalen Marktradikalismus sich als zunehmend unfähig gezeigt habe, in den eigenen Ländern die drängenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Gerade weil sich Peking bei der Lenkung seiner Wirtschaft bisher allen marktradikalen Einflüsterungen widersetzt hat, ist China innerhalb von zwei Jahrzehnten neben den USA zur wirtschaftlichen Supermacht aufgestiegen, während die krisengeschüttelten Vereinigten Staaten von Amerika vor dem Scherbenhaufen seiner einstigen Größe stehen.

»Für die Lösung einer ganzen Reihe extrem schwieriger Probleme, einschließlich der Stabilisierung des globalen Finanzsystems« brauche Obama dringend Chinas Hilfe, urteilte die New York Times am Dienstag. Daher müsse er Peking »ermutigen, eine größere internationale Rolle zu spielen«. Zugleich aber müsse er »Chinas dunklere Instinkte, einschließlich die Mißhandlung seiner eigenen Bürger und die Unterstützung unappetitlicher Regime wie im Sudan beschneiden«, so das Blatt, das damit Zeugnis ablegt von unveränderter amerikanischer Hybris.

In der Tat hat Obama bei seinem Besuch viele Möglichkeiten zur Intensivierung der Zusammenarbeit angesprochen, von der Wirtschaft über Klimawandel bis hin zu verbesserten militärischen Beziehungen. Die im Vorfeld in US-Medien veröffentlichte sicherheitspolitische Wunschliste der Amerikaner war sehr lang. So soll China z.B. helfen, Nordkorea zum Verzicht auf seine Atomwaffen zu bewegen. Und in bezug auf Iran soll Obama die Chinesen auf den amerikanisch-israelischen Kurs verschärfter Sank­tion bringen. Im Sudan soll sich Peking endlich »verantwortlich« benehmen und seine Ölinteressen dort den amerikanischen Ölinteressen unterordnen. China soll Pakistan mehr Wirtschaftshilfe gewähren, damit die pakistanische Armee zur Unterstützung der US-Truppen in Afghanistan verstärkt die Taliban bekämpfen kann. Und so geht es weiter.

Obamas viel gepriesene Aufforderung an Peking, als führende Weltwirtschaftsmacht auch international »mehr Verantwortung« zu übernehmen, ist daher nicht Ausdruck einer amerikanischen Anerkennung Chinas als gleichberechtigter Partner, sondern reflektiert lediglich den Versuch, China zur Durchsetzung der Ziele Washingtons zu instrumentalisieren. Da wundert es nicht, daß Obamas aus dem Reich der Mitte wenig Konkretes mit nach Hause gebracht hat.

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