Nicht von Angst geleitet
Von Dietmar Ostermann
07.01.2010
Seit dem nur knapp gescheiterten Flugzeuganschlag von Detroit wird exemplarisch der Unterschied zwischen Barack Obama und seinem Amtsvorgänger deutlich. Zwar dauerte es auch am 11. September 2001 eine gefühlte Ewigkeit, bis George W. Bush in einer Grundschule in Florida das Kinderbuch “The Pet Goat” aus der Hand legte, nachdem ihm sein Stabschef ins Ohr geraunt hatte, das Land werde angegriffen.
Nach sieben langen Schreckminuten aber ging es sieben Jahre in die Vollen: Tot oder lebendig, mit uns oder gegen uns, Krieg gegen den Terror, Krieg gegen den Irak, Folter, Guantanamo. Harte Worte, harte Taten, keine Rücksichten.
Obama war mit einer anderen Maxime angetreten. Der neue Präsident wollte zeigen, dass bei der Abwehr terroristischer Bedrohungen Amerikas Sicherheit und Amerikas Werte kein Widerspruch seien. Er verbot Folter, kündigte die Schließung des Schandflecks Guantánamo an, reichte der muslimischen Welt die Hand.
Naiv und gefährlich sei das, höhnten seine Gegner in den USA. “Er gibt nicht zu, dass wir im Krieg sind”, schäumte Dick Cheney, weil die neue Regierung das unsinnige Unwort vom “Krieg gegen den Terror” entsorgte.
Vom Krieg aber sprach auch Obama sehr wohl, vom ersten Tag an. Als er im Dezember den Friedensnobelpreis entgegennahm, hielt Obama eine Rede über den gerechten Krieg. “Das Böse existiert in der Welt”, lautete der Kernsatz. Das klang nach Bush. Doch Obama leitet daraus kein Recht auf willkürliche Kriege her. Er gab dem Gegner einen Namen: El Kaida, das Terrornetzwerk des Osama bin Laden.
Der Unterschied ist mehr als Semantik – selbst wenn jetzt 30 000 weitere GI”s nach Afghanistan ausrücken und US-Drohnen von Jemen bis Pakistan noch immer auch Unschuldige töten: Obamas Krieg gegen El Kaida ist ein anderer als Bushs diffus universeller “Krieg gegen den Terror”.
Dieser Unterschied wird auch deutlich, seit Umar Farouk Abdulmutallab am 25. Dezember kurz vor der Landung in Detroit einen in seiner Unterhose versteckten Sprengsatz zünden wollte. Gewiss: Ein George W. Bush hätte kaum wie Obama drei Tage zu dem Anschlagsversuch geschwiegen. Womöglich wären der US-Nation starke Sprüche lieber gewesen als eine Regierung, die zumindest anfangs den Eindruck erweckte, den Vorfall herunterspielen zu wollen.
Mehr Sicherheit aber hätte das nicht bedeutet. Die US-Geheimdienste haben wieder einmal peinlichst versagt, das aber offenbart vor allem verfehlte Reformen und falsche Prioritäten der Bush-Ära. Obama hat zu Recht darauf hingewiesen, die US-Regierung habe über hinreichend Informationen verfügt, das Komplott zu stoppen, das Puzzle aber nicht zusammengesetzt.
Im Grunde reagiert Obama so, wie eine Regierung nach einem nur durch Glück gescheiterten Terroranschlag reagieren muss: Er lässt Fehler analysieren, Sicherheitslücken prüfen, Kontrollen verschärfen. Man kann fragen, warum sich Reisende aus 14 Staaten systematisch Leibesvisitationen unterziehen müssen, von denen 13 mehrheitlich muslimische Länder sind.
Oder warum die Abschiebung von Guantánamo-Häftlingen in den Jemen gestoppt wird, wenn selbst US-Gerichte ihre Entlassung anordnen. Nicht vorwerfen aber kann man Obama blinde Vergeltung. Anders als Bush macht dieser US-Präsident keine Politik mit der Angst.
Erscheinungsdatum 07.01.2010
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