Obama: The Savior as Repairman

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Obama – Ein Messias als Mechaniker

Von Christoph von Marschall

18.1.2010

Wer hoch steigt, kann tief fallen. Es ist nur zwölf Monate her, dass Amerika den neuen Präsidenten begeistert inthronisierte. Jetzt ist die Gunst der Bürger gesunken. Sie sehnen sich nach einem Messias und tun sich schwer, die Leistung des Mechanikers anzuerkennen – auch wenn er viel Augenmaß beweist.

Wer hoch steigt, kann tief fallen. Es ist nur zwölf Monate her, dass Amerika den neuen Präsidenten begeistert inthronisierte. Trotz bitterer Kälte kamen mehr als zwei Millionen Bürger aus dem ganzen Land zum Capitol, als der erste Afroamerikaner den Amtseid leistete. In den Umfragen unterstützten ihn damals fast 70 Prozent, nur 20 Prozent lehnten ihn ab. Heute liegt die Zustimmung bei 48 Prozent Zustimmung, 45 Prozent stehen gegen ihn. Wie machtvoll der Umschwung ist, lässt sich in Massachusetts ablesen. Die Nachwahl für den Senatssitz des verstorbenen Ted Kennedy am Dienstag wird plötzlich zum offenen Rennen. Seit Jahrzehnten war der Posten fest in demokratischer Hand. Die Republikaner machen die Wahl zum Referendum über Obamas Politik, voran seine Gesundheitsreform. Sollten die Demokraten verlieren, wäre das ein Donnerschlag mit nationaler Symbolkraft.

Womit hat sich Obama den Unmut zugezogen? Viele Faktoren tragen zur Entzauberung bei, aber keiner erklärt die Dynamik erschöpfend. Die Folgen der Finanzkrise, voran zehn Prozent Arbeitslosigkeit, beherrschen den Alltag der Bürger. Die Meinungsmacher halten Obama freilich auch zugute, er habe die Nation vor einer neuen „Great Depression“ bewahrt. Erfolgreich machen die Republikaner Stimmung gegen die Gesundheitsreform; sie koste zu viel und bedeute staatlichen Dirigismus. Doch jede andere Variante hätte ebenfalls ihre Gegner, und in den Umfragen unterstützt eine knappe Mehrheit Obamas Ansatz. Der Anschlag auf den Detroit-Flug hat den USA ihre Verwundbarkeit gezeigt und den Präsidenten schwach aussehen lassen. Aber kein Amerikaner kam zu Schaden.

Nein, Obamas Handeln und seine Bilanz sind keine ausreichenden Gründe für den Absturz in der Gunst. Der Mann, den die einen zum Messias verklärten und von dem die anderen sagten, er sei nur ein Schönredner, aber kein Macher, hat sich im harten Alltag als verlässlicher Mechaniker der Staatsmacht erwiesen. Gewiss sind ihm auch Fehler unterlaufen: Er musste Ministerkandidaten zurückziehen, er unterschätzte die Zugkraft der konservativen Protestbewegung und reagierte spät. Er schwieg nach dem Detroit-Anschlag zu lange. Doch alles in allem ist er ein weit besserer Manager als Bill Clinton und zeigt mehr Augenmaß als Bush. Die Haiti-Hilfe lief bemerkenswert schnell und effektiv an – erst recht im Vergleich zu Bushs Reaktion auf Hurrikan Katrina. Der Flugzeuganschlag enthüllte, dass Obama die Gefahr aus dem Jemen schon lange im Blick hatte und handelte. Die Finanzkrise hat er gemeistert und holt sich nun von den Bankern die Staatshilfe zurück. Wenn ihm die Gesundheitsreform gelingt und er die bedrohliche Verschuldung in den Griff bekommt, hätte er Historisches geleistet.

Obamas Ansehensverfall erklärt sich vor allem aus Amerikas Leiden an seinem politischen System und der tief sitzenden Abneigung gegen „die in Washington“. Viele Bürger haben ein idealistisches Bild, was Politik leisten soll, und leiden zugleich im Übermaß an den Hässlichkeiten, die der Kampf der Parteien offenbart. Sie sehnen sich nach einem Messias und tun sich schwer, die Leistung des Mechanikers anzuerkennen. Obama sinkt in der Gunst, aber die Republikaner steigen mit ihrem Gegenkurs auch nicht, sondern dümpeln weit hinter ihm. Wenn sie demnächst einzelne Wahlen gewinnen, dann nicht aus eigener Stärke, sondern aus Enttäuschung der Wähler. Die wollen Amerikaner als übermenschliche Retter sehen: in Haiti und erst recht daheim.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 18.01.2010)

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