Edited by Amy Wong
Obama allein zu Haus
No Byline
20.01.2010
Die Politik von US-Präsident Barack Obama hat bei der Nachwahl in Massachusetts einen schweren Schlag erlitten. Das zeigt: Er sich vor allem um die Innenpolitik kümmern.
Das muss man erst einmal hinbekommen: Einen der linkesten Wahlkreise in den ganzen USA haben die US-Demokraten bei einer Nachwahl an die Republikaner verloren. Jenen Sitz, den einst John F. Kennedy innehatte und danach sein Bruder Ted, der “Linke Löwe des Senats”. Das ist so, als eroberte plötzlich ein Christdemokrat den Wahlkreis Berlin-Kreuzberg. Die Niederlage in Massachusetts beschädigt weltweit den strahlenden Nimbus Barack Obamas. Er ist nicht länger der Siegertyp, der allein kraft seines Auftretens überzeugen kann. Das schadet seiner Politik, im Inneren wie nach außen.
Obama und seine Partei müssen die Schuld für das Debakel bei sich selbst suchen. Sie können die Schlappe nicht einfach auf ihre Kandidatin schieben, so schwach sie auch sein mochte. Fahrlässig lang vertrauten die Demokraten auf die Treue der Wähler in Massachusetts. Doch die nutzten die Wahl stattdessen zum Protest gegen Washington, gegen ausufernde Staatsschulden und hohe Banker-Boni. Die Menschen sorgen sich vor allem über die hohe Arbeitslosigkeit, weniger über den Klimawandel oder die Abrüstungsgespräche mit Russland.
“It’s the economy, stupid”, mahnen sie in Erinnerung an Bill Clintons Wahlkampfslogan. “Hope”, einst Obamas Motto, genügte ihnen vor einem Jahr. Jetzt nicht mehr.
Auch um die eigenen Abgeordneten muss er sich inzwischen sorgen. Im Herbst sind Kongresswahlen. Da wird sich so mancher Volksvertreter sehr genau überlegen, ob es ihm nicht mehr einbringt, sich fortan gegen statt hinter den Präsidenten zu stellen.
Für Obama heißt das, dass er seinen Politikstil überdenken muss. Entweder konzentriert er sich nur noch auf seine eigene Basis, um seine Pläne durchzusetzen. Noch immer hat er schließlich eine Mehrheit im Kongress. Schluss also mit der Strategie der ausgestreckten Hand, mit der er alle einbinden wollte: Republikaner und Unabhängige, aber auch Alliierte in Europa und Diktatoren in China oder Nordkorea. Damit würde er alles aufgeben, was er in seinem ersten Amtsjahr aufgebaut hat.
Wahrscheinlicher ist, dass Obama das Ergebnis als Signal versteht, wieder mehr auf die Mitte zuzugehen und Zugeständnisse an Konservative zu machen – auch wenn dies seine linke Basis noch mehr enttäuscht, die sich viel vom “Yes we can”-Kandidaten erhofft hatte. Schließlich ist er auch bisher schon Konflikten eher ausgewichen.
Die Gesundheitsreform wird also noch mehr eingedampft und die unbeliebten Banken mit einer Sonderabgabe geschröpft. Vorhaben wie die Begrenzung der Kohlendioxidemissionen oder die Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo werden hintangestellt. Was zählt, ist das, was bei der Masse ankommt.
Für alle anderen in der Welt bedeutet das: Sie werden sich verabschieden müssen von dem Kandidaten, in den sie so viel Hoffnung setzten und in dessen Charisma sie sich verliebten. Obama muss zu Hause bleiben.
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