Ein müder Krieger sucht die alte Obamagie
Von Konrad Kramar
Artikel vom 28.01.2010 15:45 | KURIER | Konrad Kramar
US-Präsident umwirbt den kleinen Mann, der ihm abhanden gekommen ist.
Ja, er hat seinen pflichtgemäßen Applaus bekommen, und all die ganz und gar nicht ehrlich gemeinten Schulterklopfer für die TV-Kameras. Mehr schien Obama ohnehin nicht zu erwarten von den 535 Kongressabgeordneten, vor denen er die traditionelle Rede zur Lage der Nation hielt. Zwar gab es da die längst bekannten Beschwörungen von Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg und gemeinsamen Zielen. Doch in ein paar bösen Zwischenbemerkungen blitzte auf, wie wenig Obama inzwischen von seinem politischen Gegner, den Republikanern, erwartet – von erbittertem Widerstand einmal abgesehen. Der Präsident, dessen politische Offensive schon im ersten Jahr in den Schützengräben des Kongresses liegen geblieben ist, weiß inzwischen, dass Überzeugungsarbeit gegen routiniertes Washingtoner Lobbying rein gar nichts ausrichtet.
Wen Obama mit dieser Rede zu gewinnen versuchte, waren nicht die politischen Schwergewichte, sondern die Menschen, die ihn vor etwas mehr als einem Jahr zum Sieg getragen hatten: Der von der Krise geprügelte Mittelstand. Für ihn hatte er in dieser Rede alles einem Thema untergeordnet: Jobs. Jobs, Jobs. Der Präsident hat begriffen, dass die Gesundheitsreform, die er sich im Kongress kurz und klein verhandeln ließ, für die meisten Amerikaner erstens längst unverständlich und zweitens viel weniger wichtig ist als die Arbeitslosigkeit, die ihnen immer näher rückt.
Jetzt weiß Obama, dass er den Rückhalt der Bevölkerung braucht, um die Republikaner im Kongress wirklich unter Druck zu setzen. Bisher haben die es sich im Nein-Sager-Eck, in das er sie drängen wollte, gemütlich gemacht. Nicht sie standen als Blockierer, sondern er als Schwächling da. Der angeschlagene Held muss zuerst die Amerikaner zurückerobern, dann erst kann er wieder in die politische Offensive gehen.
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