Confrontation Instead of Compromise

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Konfrontation statt Kompromiss

Von Christoph Prantner

27. Februar 2010, 21:36

Will Obama Schaden von sich abwenden, muss er die Samthandschuhe ausziehen

Es gab Zeiten, da waren die Scheinwerfer der Öffentlichkeit Barack Obamas schärfste Waffe. Mochten sich andere mit Lobbyisten abgeben, Senatsausschüsse bearbeiten oder im Verborgenen politische Deals schließen, er stellte sich einfach auf eine Bühne, redete, die Bürger hingen an seinen Lippen – und die öffentliche Debatte nahm beinahe zwangsläufig Fahrt in seine Richtung auf. Donnerstagnacht aber, im Blair House zu Washington, funktionierte das nicht mehr. Im Gegenteil. Da saß ein zerknirschter Präsident stundenlang vor den Livekameras der Fernsehsender und musste zusehen, dass er irgendwie durch die quälende Debatte über die Gesundheitsreform kam.

Es ist – augenscheinlich – der bisher schwierigste Moment in Obamas Präsidentschaft. “Make or break” , sagen die Amerikaner gerne bei solchen Anlässen. Es schaffen oder zerbrechen, das sind die Optionen, die dem Präsidenten bleiben. Und demokratische Politikberater prognostizieren: “Der Präsident wird diese Reform in irgendeiner Form durchbringen, weil er es schlichtweg muss. Gelingt das nicht, sind seine gesamte Präsidentschaft und seine Wiederwahl gefährdet.”

Wie er das tatsächlich anstellen will, hat Barack Obama noch nicht wirklich erkennen lassen. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass er die Samthandschuhe ausziehen und zeigen muss, dass er auch ein harter Hund sein kann. Weil die Republikaner kein ehrliches Interesse an einer Lösung des Problems haben (wie 54 Prozent der Amerikaner in Umfragen meinen), müssen es die Demokraten eben allein packen. Konfrontation statt Kooperation, so wird wohl die neue Devise lauten.

Das bringt einige politischen Risiken mit sich. Die demokratischen Abgeordneten und Senatoren sind unsichere Kantonisten. In weniger als zehn Monaten stehen die Midterm-Wahlen an, bei denen das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel der Senatssitze neu gewählt werden. Weil die Gesundheitsreform so unpopulär ist, fürchten sich die meisten vor einer demütigenden Niederlage, wie sie die Demokraten bei der Senatsnachwahl in Massachusetts erlitten haben. Weder Nancy Pelosi, die demokratische Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, noch Harry Reid, ihr Kollege im Senat, können derzeit Mehrheiten garantieren. Nicht für die Annahme des letzten Senatsentwurfs im Repräsentantenhaus, die die Reform in Kraft setzen würde. Und auch nicht für jenes Vermittlungsverfahren, für das eine einfache Mehrheit von 51 Senatoren genügte.

Was für Obama jetzt vor allem zählt, ist Zeit. Er muss dieses Problem schnell aus dem Weg schaffen, um genügend Abstand zu den Wahlen zu halten und um endlich seine politische Handlungsfähigkeit wiederherzustellen. Verzögerungen hat es bei den bisherigen Verhandlungen bereits genügend gegeben. Die Gefahr, von den eigenen Leuten im Stich gelassen zu werden, scheint unter diesen Umständen noch immer einigermaßen kalkulierbar zu sein – genauso wie die inhaltlichen Unzulänglichkeiten jenes Reformpaketes, das zuletzt den Stempel des Kongresses bekommen mag.

Und wenn Obama es nicht schafft? Dann sind Hope und Change so gründlich durch den politischen Fleischwolf in Washington gedreht worden, dass damit kein Staat mehr zu machen ist. Und Barack Obamas Nachfolger im Weißen Haus müsste dann wohl so schlau sein und sich alles vornehmen – außer politische Großprojekte.

(Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 27.2.2010)

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