The Offensive in Nazi-Talk

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Offensive im Nazisprech

Von Rüdiger Göbel

Nach der Offensive auf die als »Taliban-Hochburg« bezeichnete Ortschaft Mardscha plant die NATO einen noch größeren Sturmangriff auf Kandahar. Wenn es darum gehe, den Aufständischen jeglichen Boden zu entziehen, dann müsse die »Geburtsstadt der islamistischen Bewegung« gestürmt werden, zitierte die Agentur DAPD am Wochenenende »Regierungskreise in Washington«. Insofern sei die Einnahme von Mardscha nur ein »taktisches Vorspiel« gewesen oder, wie es US-General David Petraeus nannte, »die erste Salve«. Zur Beschreibung ihres militärischen Vorgehens und vermeintlicher Erfolge bei der Kriegführung greifen ­NATO-Besatzer und Mainstreammedien mittlerweile ohne Skrupel auf Begriffe aus der Nazizeit zurück.

US-Soldaten haben nach eigenen Angaben die »letzten Widerstandsnester« in Mardscha »beseitigt«, hieß es am Samstag etwa. US-Hauptmann Joshua Winfrey wurde von DAPD und anderen Agenturen mit den Worten zitiert: »Im Grunde kann man sagen, daß Mardscha jetzt gesäubert ist.« Allein die Wortwahl erinnert an die Partisanenbekämpfung im Zweiten Weltkrieg. Für die »Beseitigung von Widerstandsnestern« und die »Säuberung von Ortschaften« waren Wehrmacht und SS in Südost- und Osteu­ropa gefürchtet und berüchtigt. Schon damals war der Widerstand gegen die Besatzer als »terroristisch« diffamiert und skrupellos bekämpft worden.

Die Mainstreammedien übernehmen aber nicht nur die Wortwahl, sondern auch den Inhalt der NATO-Pressemitteilungen unkritisch und ohne jede Distanz. So war am Sonntag, zwei Wochen nach Beginn der Offensive »Muschtarak« (Gemeinsam) in der Provinz Helmand, mehrfach zu lesen, »US-Marineinfanteristen und afghanische Soldaten, die im Stadtzentrum kämpften«, seien »zu ihren am Nordrand stationierten Kameraden vorgedrungen«. Tatsächlich handelt es sich bei Mardscha um eine kleine, überschaubare Ansammlung von Lehmhäusern, kilometerweit umgeben von parzellierten Feldern (mutmaßlich Mohnanbau) und einzelnen Gehöften. Daß Mardscha unter »Kontrolle« der Besatzer sei, war bereits am 17. und 25. Februar gemeldet worden, einschließlich jeweiliger Fahnenhissung im »Stadtzentrum«.

In den kommenden Monaten soll nun die zweitgrößte Stadt Afghanistans »Priorität« in der Kriegführung haben. Kandahar ist eine Hochburg und »gewissermaßen die Hauptstadt« der Taliban, sagte ein hochrangiger Vertreter der US-Regierung laut AFP. Die »Rückeroberung« der Stadt sei daher »ein Ziel für 2010«. Der Gouverneur der gleichnamigen Provinz, Turjalai Wessa, bestätigte laut DAPD, daß ein solcher Plan auch bei seinem jüngsten Besuch bei der Zentralregierung in Kabul besprochen worden sei. Er habe bereits internationale Hilfsgruppen kontaktiert, damit die zu erwartenden Flüchtlinge mit Notunterkünften, Nahrungsmitteln und anderen Gütern versorgt werden könnten. Demnach wird mit bis zu 10000 Flüchtlingen gerechnet.

Der Bundestag hatte am Freitag beschlossen, nunmehr 5350 deutsche Soldaten für die Kriegführung am Hindukusch zur Verfügung zu stellen. Laut AFP sind zur Zeit 121000 ausländische Soldaten in Afghanistan stationiert.

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