“Rückfall in die protektionistische Steinzeit”
10.03.2010
Bedingt durch die Intervention der US-Administration zieht sich EADS aus der Ausschreibung für den US-Tankerauftrag zurück. Dass Obama “America first” deklariert, darin erkennen die Leitartikler das Ende des transatlantischen Westens.
“Landeszeitung” (Lüneburg):
“Die Bruchlandung von EADS auf dem US-Markt dürfte auch den letzten Rest der Obama-Euphorie auf dem alten Kontinent vertreiben. Denn ohne ein zustimmendes Nicken aus dem Oval Office wäre Boeing beim Jahrhundertdeal über das neue Tankflugzeug der USA chancenlos geblieben. Die Hypermacht, die diesen Status nur noch ihrer militärischen Überlegenheit verdankt, hat damit deutlich gemacht, wo die Grenzen der Zusammenarbeit im Westen verlaufen: Dort, wo amerikanische Interessen berührt werden.
Die Ausbootung des Airbus-Tankers ist ein weiteres Zeichen für das Ende des transatlantischen Westens. Die Zusammenarbeit mit Europa – selbst in der Nato – ist für die USA auch unter Barack Obama nachrangig. Die Lehre für Europa kann nur sein, endlich den sicherheitspolitischen Rockzipfel der USA loszulassen und eigene militärische Muskeln aufzubauen.”
“Frankfurter Allgemeine Zeitung”:
“Die Rüstungsindustrie ist also weit davon entfernt, ein normales Geschäft zu sein, das sich mit Autos vergleichen ließe. Das sollte sich ändern. Die heutige Praxis kostet den Steuerzahler Geld und sorgt dafür, dass Armeen selten das beste Produkt für ihr Budget bekommen übrigens bis hin zum Klopapier. Nun aber den Amerikanern zu unterstellen, bei ihnen sei im Umgang mit Regierungsaufträgen alles besonders schlimm, ist scheinheilig und nicht mehr als ein politisches Ritual.”
“Hamburger Morgenpost”:
“Irgendwas läuft gewaltig schief zwischen Barack Obama und den Europäern. Der Präsident schwänzt den USA-Europa-Gipfel. Und jetzt versetzt die US-Administration Airbus eine schallende Ohrfeige, die Folgen haben wird. Selten wurde so dreist vor den Augen der Weltöffentlichkeit eine Ausschreibung zurechtgebogen, nur um den Europäern den schon 2008 gewonnenen Tanker-Auftrag wieder entziehen zu können.
America first - schon beim Reizthema Opel hat Obama diese engstirnige Formel, die in den USA sehr populär ist, ohne Rücksicht auf die Europäer, speziell auf die Deutschen, durchgezogen. Künftig werden die Amerikaner nie wieder glaubhaft als Polizist des freien Handels auftreten können. Uns droht nach diesem bösen Foul ein Rückfall in die protektionistische Steinzeit.”
“Rhein-Zeitung” (Koblenz/Mainz):
“Ausgerechnet im Fall Airbus die Abkehr vom Wettbewerbsprinzip zu beklagen, ist andererseits kurios. Der europäische Flugzeugbauer wäre nie so groß geworden, hätten die Staaten den Konzern nicht mit milliardenschweren Subventionen hochgepäppelt: Wer Großflugzeuge bauen will, muss erst einmal enorme Investitionen tätigen ohne politische Unterstützung hätte das niemand getan.
Die einzige ökonomische Rechtfertigung: Jetzt gibt es ein Duopol mit zwei Spielern im Weltmarkt andernfalls könnte Boeing satte Monopolrenditen abschöpfen. Doch so ist das eben, wenn Industriepolitik betrieben wird: Beim einmaligen Eingriff bleibt es nie, stattdessen gibt es immer neue Irritationen und auch der Tankerstreit ist damit sofort ein Politikum. Die Staaten sollten sich öfter heraushalten hüben wie drüben.”
“Abendzeitung” (München):
“Ärgerlich, unfair, unklug. Über die Entscheidung des US- Verteidigungsministeriums gegen den Jahrhundertdeal für EADS mögen Airbus-Manager und Politiker zu Recht verärgert sein, allein: Ihre Empörung wird nichts helfen.
Der US-Hersteller Boeing, der bereits tausende Arbeitsplätze gestrichen hat, braucht dringend Geld, die US- Regierung kann sich angesichts Millionen von Arbeitslosen einen weiteren Stellenabbau bei einem der prestigeträchtigsten Arbeitgeber im Land einfach nicht leisten. Deswegen konnte die rüde Vorgehensweise gegen Airbus, dessen Angebot für den Bau von 179 Tankflugzeugen jetzt abgebürstet wurde, nicht wirklich überraschen.”
“Nordwest-Zeitung” (Oldenburg):
“Protektionistische Industriepolitik siegte über eine fachlich begründete Entscheidung. Das ist im Fall des geplatzten Verkaufs von 179 Tankflugzeugen für die EADS-Eignerländer bedauerlich. Aber kein amerikanisches Phänomen. Die europäischen Politiker wissen nur zu gut, dass sie aus denselben Gründen sündhaft teure Jagdbomber, Kampfhubschrauber und beinahe unbezahlbare Transportflugzeuge von der eigenen Industrie entwickeln und fertigen lassen, obwohl kostengünstigere, erprobte und mindestens vergleichbar leistungsfähige Flugmuster auf dem Weltmarkt zu haben sind.
Das weltweite Rüstungsgeschäft unterliegt anderen Regeln als der übrige globale Handel. Militärpolitiker haben eine Vielzahl von Argumenten zur Hand, warum Hightech-Produkte aus strategischen Gründen im eigenen Land entwickelt werden müssen. Nicht alle halten einer seriösen Überprüfung stand. Das aber hat noch niemanden gestört. Auf beiden Seiten des Atlantiks.”
“Kölnische Rundschau”:
“Die Bilanz tiefrot, die Aussichten mau, ein lukrativer Auftrag mit viel Zukunftspotenzial unerreichbar: Für EADS kommt es in diesen Wochen knüppeldick. Der europäische Luftfahrtkonzern verdient zwar operativ nicht schlecht. Aber wenn verschiedene Großprojekte auf einmal belasten, dann nutzt das wenig.
Am enttäuschendsten für die Experten ist sicher der Rückzug aus dem Bieterwettstreit in den USA – der zwar konsequent war, weil man ohne amerikanischen Partner nichts mehr ausrichten konnte. Dennoch: Wenn man diesen Auftrag gewonnen hätte, dann hätte man nicht nur ein Auftragsvolumen von 100 Mrd. Euro für die nächsten Jahre gesichert.”
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