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In aller Schärfe

Von Klaus-Dieter Frankenberger

17. März 2010

Benjamin Netanjahu hat sich schon einmal mit einer amerikanischen Regierung angelegt: Als er das erste Mal israelischer Ministerpräsident war, geriet er mit Präsident Clinton aneinander. Jetzt, da Netanjahu wieder Regierungschef ist, hat die israelische Siedlungspolitik zu einem Streit mit der Regierung Obama geführt. Dessen Schärfe legt tatsächlich den Schluss nahe, es handele sich um eine Krise.

Dabei kommt in der heftigen Reaktion Washingtons auf die Ankündigung weiterer Bautätigkeit in Ostjerusalem mehr als nur Verärgerung über eine Brüskierung des Vizepräsidenten Biden zum Ausdruck. Hier bricht sich der ganze Unmut darüber Bahn, dass die Nahost-Politik Obamas bisher wenig Erfolg hatte: Der intransigente Netanjahu tanzt nicht nach der Pfeife des kühlen Obamas; die Araber haben schon wieder alle Hoffnung fahren lassen; und Iran setzt ungeachtet aller Avancen sein Atomprogramm fort. Es ist nicht viel, was der Nachfolger Bushs bisher vorzuweisen hat.

Aber Obama kann sich natürlich auch nicht von Netanjahu vorführen lassen oder die Gefährdung eigener strategischer Ziele kommentarlos hinnehmen. Der isaelische Ministerpräsident kann sich täuschen, wenn er glaubt, er könne sich gegenüber der amerikanischen Regierung alles erlauben. Israel genießt zwar unverändert große Sympathie in den Vereinigten Staaten; im Kongress hat es einen mächtigen Verbündeten – insbesondere die Republikaner geben dem Präsidenten eine Mitschuld an dem Zerwürfnis.

Aber es ist unklug, einen Partner zu provozieren und dessen Politik zu unterlaufen, auf dessen unerschütterlichen diplomatischen und militärischen Beistand Israel angewiesen ist. Auf Dauer kann Netanjahu nicht alle Forderungen aus Washington zurückweisen. Sonst wäre Obama geradezu gezwungen, die Druckmittel einzusetzen, über die er gegenüber Israel durchaus verfügt. Und so viele Verbündete hat das Land nicht mehr, die zu verprellen es sich leisten könnte.

Netanjahu wird einen Weg aus dem Dilemma finden müssen, in das ihn die Siedlungspolitik, seine Koalitionspartner und die eigenen Überzeugungen gebracht haben. Vermutlich hat die Regierung in Jerusalem die amerikanische Verärgerung unterschätzt. Vermutlich wollen nun beide Regierungen die Sache nicht weiter eskalieren lassen: Denn das läge nicht in ihrem Interesse. Und es läge gewiss nicht im Interesse Israels.

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