The legislation of the century passed without the help of a single Republican. Never have the differences between America’s two political parties been so hate-filled. The president pulled off a political coup and has dropped the role of the great conciliator.
Over 220 years ago, Thomas Jefferson, America’s apostle for the message of democracy, said everything needed to understand his country in the year 2010. “The tyranny of the legislature is really the danger most to be feared, and will continue to be so for many years to come,” Jefferson wrote in a letter to James Madison, who would be his successor as president of a still very young United States. He didn’t fear government, which he considered controllable; he feared a Congress whose tyrannical powers he almost envied.
And Barack Obama, Jefferson’s 41st successor to the office, found his experience with Congress very similar. Thanks to their merciless majority, Democrats pushed through their health care reform package, giving their president an irrevocable victory and, in some measure, exacting revenge for their years of humiliation and marginalization as the congressional minority party. The legislation of the century, passed without one single vote from the Republican minority; the chasm between America’s political parties has never been as harsh and hate-filled.
Shrill congressional disagreement is not unusual in the United States. “Nothing is so irresistible as a tyrannical power commanding in the name of the people,” Alexis de Tocqueville, French political philosopher and early analyst of American opinion wrote in his study of the American system, adding that its power derives from the fact that, “while it exercises that moral influence which belongs to the decisions of the majority, it acts at the same time with the promptitude and tenacity of a single man.”
Therein lies the dual face of American democracy: The majority is ruthless in dealing with the minority — but that’s the only way to explain how the system can renew itself and, after a democratic election, march off in a new direction with equal euphoria and radicalism.
The world has been witness to these extremes in the recent past, from the ruthlessness of a Republican congressional majority dealing with a Democratic president’s sexual escapades to its tone-deaf responses in connection with torture and unjustifiable war, the regeneration of a political system in the midst of an election cycle and now to the a minority using tyrannical means to thwart the legislative process in an attempt to defeat the most important legislation in America in fifty years.
Barack Obama has now pulled off his political masterstroke with what de Tocqueville so juicily described as “despotic taste and instinct;” his first and possibly most important accomplishment — perhaps even his only permanent accomplishment. The vote in the House of Representatives marks the end of Obama’s quest for reconciliation.
This president will no longer try to be the bipartisan paterfamilias of the nation — he can’t go on like that. Obama had to make clear to his own congressional majority that it was either him or the opposition; those were the alternatives. Obama decided in favor of his own political survival. Had he given up his reforms or further watered them down in an attempt to get bipartisan support, he would have been seen as soft and indecisive. And Americans no longer support soft leaders.
U.S. Health Care Reform — A Returning Hint of “Yes, We Can.”
Health care reform is a great political accomplishment, a monument that won’t be permanent until it has endured new elections and many legal decisions. Politically, it has renewed the president in the Democratic camp and given his rhetorical randomness and generosity a firm foundation. Many Americans, and not just Republicans, oppose the idea of government health insurance in the mix with private industry. Such decisions are best left to the Americans themselves, but Obama’s determination will now command respect among them in the near future.
Obama was able to put through a social reform in America that may go largely unappreciated because the majority of beneficiaries — the large number of those uninsured up to now — don’t vote unless they’re convinced. The congressional show of strength has thus far cost a year, many voices and a sacred myth. In return, Obama, if he doesn’t know it already, will have gained important new knowledge: America is not a democracy of consensus. The nation lives on the tyranny of the majority and it is able to absorb political extremes thanks to its great size and clumsiness.
All that doesn’t make laws durable or reforms permanent, and that’s all the more reason the president deserves recognition for not trying to avoid the dangers. The cost of his insurance policy will become apparent not quite three years from now.
Obama schlägt zurück
von Stefan Kornelius
22.03.2010
Ein Jahrhundertgesetz, verabschiedet mit nicht einer einzigen Stimme der Republikaner: Selten war die Trennung der politischen Lager in den USA so hasserfüllt. Der US-Präsident hat sein politisches Meisterwerk vollbracht - und die Rolle des Versöhners aufgegeben.
Thomas Jefferson, Amerikas Apostel für die Botschaft der Demokratie, hat vor 220 Jahren alles Nötige gesagt, was es braucht, um sein Land auch im Jahr 2010 noch zu verstehen. "Die Tyrannei der Legislative ist gegenwärtig die größte Bedrohung, und sie wird es für viele Jahre bleiben", schrieb Jefferson in einem Brief an James Madison, seinen Nachfolger im Präsidentenamt der noch jungen Vereinigten Staaten. Vor der Regierung hatte Jefferson keine Furcht, sie hielt er für kontrollierbar. Es war das Parlament, das mit seiner despotischen Art geradezu Eifersucht beim ersten Mann im Staate auslöste.
Und so hat Barack Obama, Jeffersons 41. Nachfolger im Präsidentenamt, nun ebenfalls seine besondere Erfahrung mit der Macht des Parlaments gemacht. Die Demokraten verabschiedeten mit ihrer unbarmherzigen Mehrheit die Gesetze zur Gesundheitsreform, verschafften ihrem Präsidenten einen nicht zu wiederholenden politischen Triumph und nahmen so in gewisser Weise Rache für die Jahre der Demütigung und Ausgrenzung als Minderheit im Kongress. Ein Jahrhundertgesetz, verabschiedet mit nicht einer einzigen Stimme aus dem Lager der republikanischen Minderheit - selten war die Trennung der politischen Lager in den USA so schroff und hasserfüllt.
Die schrille Auseinandersetzung im Kongress ist für Amerika nicht ungewöhnlich: "Nichts ist so unwiderstehlich wie die tyrannische Kraft, die im Namen des Volkes befiehlt", schrieb der französische Politiker Alexis de Tocqueville, der vielleicht bekannteste Therapeut, der sich mit Amerikas Gefühlslage beschäftigte. Diese Kraft, so Tocqueville nach dem Studium des US-Systems, mag in moralische Stärke gekleidet sein, die sich aus der Mehrheit ableitet. "Aber sie handelt mit der Entscheidungskraft, der Geschwindigkeit und der Hartnäckigkeit eines einzelnen Mannes."
Da ist es also zu sehen, das doppelte Gesicht der amerikanischen Demokratie: Die Mehrheit ist unbarmherzig im Umgang mit der Minderheit - aber nur so lässt sich andererseits die Erneuerungsfähigkeit eines Systems erklären, das nach einem demokratischen Wechsel mit gleicher Radikalität und Euphorie in die andere Richtung marschiert.
Die Welt hat all diese Extreme in den letzten Jahren zur Genüge erlebt: Die Gnadenlosigkeit einer parlamentarischen Mehrheit im Umgang mit einem Präsidenten, der ein Verhältnis mit einer Praktikantin pflegte; die Taubheit eines Parlaments im Umgang mit Folter und falschem Krieg; die Regeneration des politischen Systems binnen eines Wahlzyklus; und nun der von der Minderheit als Tyrannei empfundene Gesetzgebungsprozess auf dem Weg zu dem neuen Gesundheitssystem - der wichtigsten und größten Sozialreform, die Amerika in einem halben Jahrhundert erlebt hat.
Mit dem von Tocqueville so saftig beschriebenen "despotischen Geschmack und Instinkt" hat Barack Obama nun sein politisches Meisterwerk vollbracht, seine erste, aber womöglich auch wichtigste Leistung im Präsidentenamt - womöglich gar seine einzige, die bleiben wird. Denn Obama hat mit der Abstimmung im Repräsentantenhaus die Rolle des Versöhners aufgegeben.
Dieser Präsident wird nicht mehr den überparteilichen Vater der Nation geben - er kann es nun nicht mehr. Obama musste seine Partei mit autoritärer Macht die Mehrheitsverhältnisse klar machen lassen: Ich oder die anderen - das war die Alternative. Obama entschied sich für sein eigenes politisches Überleben. Hätte er die Reform aufgegeben oder weiter nach einer parteiübergreifenden Mehrheit gesucht, dann wäre er weich und entscheidungsunfähig erschienen. Einen weichen Präsidenten aber wählen die Amerikaner nicht mehr.
US-Gesundheitsreform Ein Hauch von "Yes, we can"
Die Gesundheitsreform ist eine große politische Leistung, ein Bauwerk, das erst in Jahren - nach Neuwahlen und vielen Gerichtsentscheidungen - gefestigt sein wird. Politisch hat sie den Präsidenten in das Lager der Demokraten zurückgeholt und seiner rhetorischen Beliebigkeit und Großzügigkeit ein hartes Fundament verpasst. Viele Amerikaner, nicht nur die Anhänger der Republikaner, mögen es ablehnen, dass sie der Staat zu einem privatwirtschaftlichen Versicherungsgeschäft nötigt. Solche Entscheidungen treffen sie lieber alleine. Aber Obamas Zielstrebigkeit wird ihnen mittelfristig Respekt abnötigen.
Obama hat eine soziale Reform in den USA durchgesetzt, die ihm möglicherweise schon deswegen nicht gedankt wird, weil die Nutznießer - die große Zahl der bisher Unversicherten - im Zweifel nicht wählen gehen. Der parlamentarische Kraftakt hat ihn ein Jahr, viele Stimmen und den Heiligen-Mythos gekostet. Dafür durfte Obama, wenn er es nicht vorher schon wusste, eine wichtige Erfahrung machen: Amerika ist keine Konsensdemokratie. Das Land lebt von der Tyrannei der Mehrheit. Es absorbiert die politischen Extreme dank seiner Größe und Schwerfälligkeit.
All das macht Gesetze nicht haltbar und Reformen nicht notwendigerweise dauerhaft. Um so mehr gebührt dem Präsidenten Anerkennung dafür, dass er der Gefahr nicht ausgewichen ist. Seine Risikoprämie wird sich erst in knapp drei Jahren berechnen lassen.
(SZ vom 23.03.2010/woja)
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