Next Year in Jerusalem

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Nächstes Jahr in Jerusalem

Von Christoph von Marschall

29.3.2010

Obama gibt im Streit mit Netanjahu über den Siedlungsbau im Ostteil Jerusalems nicht nach – der Ausgang ist offen.

Barack Obama hat Amerikas Nahostpolitik verändert. Das betrifft nur ein Detail des Konflikts, zugleich aber den emotionalen Kern: Jerusalem, das Israelis wie Palästinenser als Hauptstadt beanspruchen.

Viele Außenstehende bemerken nicht einmal, was genau Obama anders macht, so gering erscheint ihnen der Wandel. Sie meinen, im Streit mit Netanjahu gehe es irgendwie um Siedlungspolitik. Das ist zu ungenau. Alle amerikanischen Präsidenten haben Israels Siedlungen in den seit 1967 besetzten Gebieten kritisiert, soweit es um das Westjordanland und, bis zu Israels Rückzug, um den Gazastreifen ging. Völkerrechtlich betrachten die USA auch Ostjerusalem als besetzt, doch dort hielten sie sich bisher mit Kritik an israelischen Siedlungen zurück. Allgemein wird erwartet, dass es da beim Friedensvertrag zum Gebietstausch kommt.

Obama forderte von Beginn an auch den Stopp des Siedlungsbaus in Ostjerusalem. Anfangs meinten Experten, das liege an seiner Unerfahrenheit und fehlenden Sachkenntnis. Das glaubte wohl auch Netanjahu. Er erklärte einen befristeten Siedlungsstopp im Westjordanland und hält ihn auch ein, jedenfalls nach israelischer Definition. Für Ostjerusalem lehnte er das ab. Vorübergehend sah es so aus, als setze er sich durch. Obama ließ den Siedlungsstopp in Ostjerusalem als Vorbedingung für Friedensgespräche fallen. Viele hielten das für eine Bestätigung der Theorie vom Anfängerfehler.

Im Rückblick sieht es anders aus. Obama gab in Jerusalem zunächst nur nach, weil er den Baustopp, erstens, nicht sofort erzwingen konnte. Und, zweitens, lernte, dass er den Gegnern von Gesprächen einen Vorwand lieferte, wie sie die verhindern können: Man musste nur in Ostjerusalem bauen. Aufgegeben hat er die Forderung nicht. Jetzt stellt er sie ins Zentrum des Streits mit Netanjahu und macht seinen Unmut deutlich: Er empfing Netanjahu im Weißen Haus, verweigerte ihm aber Bilder des Treffens. Der bot andere Gesten des Entgegenkommens an, um die von Obama gewünschten indirekten Gespräche mit den Palästinensern zu ermöglichen: Reduzierung der Militäroperationen Israels im Westjordanland, Freilassung palästinensischer Gefangener, Öffnung des Gazastreifens für Aufbauhilfe. Obama sagt, das alles sei willkommen. Er wünsche aber weiter den Baustopp in Ostjerusalem.

Wer setzt sich durch? Das ist offen. Netanjahu riskiert seine Koalition und seine Macht, wenn er sich beugt. Von Obama weiß man, dass er Konflikte nur offen austrägt, wenn er meint, am Ende als Sieger dazustehen. Zunächst wird Netanjahu auf Zeit spielen. Vielleicht wird die Kongresswahl in den USA Obamas Zeit absorbieren oder seine Macht reduzieren? Doch die Triumphe bei der Gesundheitsreform und der Abrüstung werden Obama im Glauben bestärken, dass er die Macht zur Veränderung hat, auch in der Nahostpolitik.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 29.03.2010

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