Hellfire

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Im Höllenfeuer

Von Karl Grobe

03.05.2010

Alle reden von der katholischen Kirche, aber die hat doch auch schon mal Gutes getan, das Zweite Lateranische Konzil zum Beispiel, im Jahre 1139. Damals war Innozenz II. Papst und mühte sich erfolgreich um die Einheit der Kirche, will sagen: die endgültige Beseitigung etwelcher Gegenpäpste. Das setzte er ja auch durch. Das Konzil aber – und Innozenz – erließen auch ein Verbot. Es hätte welthistorisch bedeutsam werden können, wenn nicht…

Das Zweite Lateranische Konzil verbot die Armbrust. Wegen ihrer Reichweite und Durchschlagskraft gegen Ritterrüstungen sei diese Waffe moralwidrig, eben: unritterlich. Nun wären die Konzilsherren, da im Besitz auch weltlicher Besitztümer, allerdings naiv gegenüber den eigenen Interessen gewesen, hätten sie nicht gleich eine Ausnahmeregelung mitgeliefert. Heiden, zumal arabische oder sonstwie islamische, durften Christen auch weiterhin mittels der Armbrust aus der Ferne töten.

Leider hat das Verbot auch unter Christen nicht recht gegriffen. Drei Jahrhunderte später sang Oswald von Wolkenstein in nahezu nachrichtlichem Ton, dass mancher bei einem Südtiroler Scharmützel von Pfeilen “geflogen durch armberost gepiet” verletzt worden sei. Den Sänger, Dichter und Warlord (deutsch: Ritter) hat niemand deswegen gerügt, auch nicht das Konstanzer Konzil von 1415, an dem er teilnahm. Rechtgläubige Warlords rügt man nicht, und wenn sie literarisch tätig werden, sieht man ihnen Gewaltpolitik schon mal nach. So wird wohl eines Tages der begabte chinesische Lyriker Mao in den Literaturgeschichten auftauchen, wenn seine aus den Gewehrläufen kommende revolutionäre Macht längst ins Gegenteil verkehrt worden ist.

Im übrigen ist es eine sehr einfache Übung, die Benutzung fernwirkenden Tötungsgeräts als moralisch zu tarnen. Es genügt, dem Opfer (auch nachträglich) ein Etikett anzukleben wie Taliban, El-Kaida, Terrorist; die eigenen Terroristen aber sind immer Freiheitskämpfer, die die gerechte Sache beispielsweise der CIA vertreten.

Besagter Dienst ist aus dem Zeitalter der Armbrust weit hinaus; überdies hat er so primitives Zeug nie auch nur in Erwägung gezogen. Er erledigt seine Aufträge aus wesentlich größerem Abstand, sagen wir: gut 15000 Kilometer. So weit ist die Drohne entfernt, von der aus “Höllenfeuer” (ja, so heißt der Raketentyp Hellfire auf deutsch) auf vermeintliche Träger solcher Etikette hinabregnet. Wenn das Etikett ums Verrecken nicht passt, so nennt man dies Kollateralschaden. Egal, ob der Kollateralschaden zu Lebzeiten fünf oder 85 Jahre alt, männlich oder weiblich, in Stammestracht uniformiert oder zivil gekleidet war.

Wovon ist die Drohne so weit entfernt? Von der Konsole mit dem Joystick (auf deutsch: Freudenstock), den ein Mittzwanziger bedient, selbige Drohne damit steuert und das “Höllenfeuer” auslöst. Der Konsolen-Spieler muss gar nicht mal wissen, wo Afghanistan liegt.

Das ist nicht geächtet – Kirchen aller Richtung neigen ja auch längst dazu, Waffen zu segnen -, aber es ist im Konzilssinne unritterlich. Es ist Kriegsverbrechen. Einige US-Völkerrechtler haben das jetzt vor dem Kongress ausgesagt. Die CIA rechtfertigt sich natürlich: Die Anti-Terror-Operationen entsprechen dem Recht. Und wo kein Gericht ist, wird anderes Recht nicht gesprochen. Die USA erkennen einschlägige internationale Gerichte nicht an.

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