Hillary Clinton’s Iron Discipline as a Team Player

<--

Hillary Clintons eiserne Disziplin als Teamspielerin

21.05.2010 | 18:50 | Von unserem Korrespondenten THOMAS VIEREGGE (Die Presse)

Die Außenministerin hat bisher durch ihre Loyalität bestochen. Nach Anlaufschwierigkeiten hat Clinton Tritt gefasst. Auf ihrer heiklen Asien-Reise schärft sie nun weiter ihr Profil.

Washington. Am wöchentlichen Jour fixe Donnerstagnachmittag im Weißen Haus hält Hillary Clinton eisern fest. Wann immer es die Terminkalender der beiden zulassen, sucht die Außenministerin den Präsidenten zum Tête-à-Tête auf. Selbst als ihr Mann Bill sich vor einigen Monaten wegen akuter Herzstörungen in einem New Yorker Spital einer Behandlung unterzog, wollte sie nicht auf das Ritual verzichten, das in einem recht asketischen Ambiente abläuft. Während Barack Obama einen Apfel mampft, nippt Hillary Clinton am Wasserglas. So schildern Mitarbeiter die Unterredungen der einstigen Rivalen im Oval Office.

Seit der Wahlschlacht und dem Überraschungscoup der Nominierung der früheren First Lady und Senatorin hat sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt. Anfangs fungierte Vizepräsident Joe Biden als Relaisstation. Als Obama Wind von der Hochzeit der Clinton-Tochter Chelsea bekam, bot er sogar das Weiße Haus als Ort der Trauung an. Die Vermählung findet nun jedoch im Sommer im langjährigen Urlaubsrefugium der Clintons – wie auch der Obamas – statt: auf Martha’s Vineyard vor der Ostküste von Massachusetts.

„Hillaryland“

Aus Wahlkampfzeiten sind nur die Spitznamen für das jeweilige Lager geblieben: die „Kardinäle“ für den Obama-Stab, „Hillaryland“ für das Außenministerium. Die Verbitterung hat sich gelegt, die gegenseitig zugefügten Wunden sind verheilt. Hillary Clinton ist ihrem Ruf als exzellente Teamspielerin gerecht geworden, Loyalität gilt als eine ihrer großen Stärken – davon könnte auch Bill Clinton Zeugnis ablegen. Ihn haben manche als Störfaktor angesehen. Doch diese Sorge blieb unbegründet. Der Ex-Präsident hat sich als Mittler in brisanten Fällen, als Sonderbotschafter für Haiti und als Wahlkampf-Zugpferd eingefügt.

In einem Wahljahr, in dem sich der Präsident vorwiegend der Innenpolitik annimmt, wächst der Spielraum für die Außenministerin. War das erste Amtsjahr Hillary Clintons geprägt von Obamas außenpolitischen Initiativen, die die Ministerin automatisch ins zweite Glied rückten, hat sie ihr Profil zuletzt deutlich geschärft. Weil sie von den führenden Akteuren Washingtons das beste Verhältnis zu Afghanistans zeitweise schlecht beleumundetem Präsidenten Hamid Karzai unterhält, blieb es ihr vorbehalten, ihn im Rahmen seiner Washington-Visite bei einem privaten Spaziergang in Georgetown auf den US-Kurs einzuschwören.

Treibende Kraft in Iran-Politik

Während Brasilien und die Türkei in einem Kompromiss in der Atompolitik den Iran einzubinden trachteten, fädelte die Außenministerin als treibende Kraft einen Coup ein. In monatelangen Sondierungen und einem Telefonat in letzter Minute mit ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow gelang es ihr, das Veto Russlands und Chinas gegen schärfere Sanktionen zu durchbrechen. Im Gegensatz zu Obama galt sie stets als Verfechterin einer härteren Politik gegenüber Teheran. Jetzt hat sie den Präsidenten auf ihre Seite gezogen.

Bei ihrer Asien-Reise, die sie im Jänner wegen der Erdbebenkatastrophe in Haiti abgebrochen hat, wartet nun eine weitere heikle Mission auf sie. Im innerkoreanischen Konflikt um die Torpedierung eines Kriegsschiffs muss sie eine Eskalation verhindern und zugleich Nordkorea die Grenzen aufzeigen. In Japan muss sie die Ressentiments gegen die US-Militärbasis auf Okinawa zerstreuen, und in China muss sie im Umgang mit der aufstrebenden Supermacht die Balance wahren.

Nach Anlaufschwierigkeiten hat Clinton Tritt gefasst. Noch im Vorjahr unkten Kritiker: „Wo bleibt Hillary?“ Und die Journalistin Tina Brown ätzte, sie solle endlich ihre Burka ablegen. Die vielen Sonderbotschafter haben ihre Bandbreite eingeschränkt. Sie hat es mit manch männlichem Super-Ego zu tun. Richard Holbrooke, der unter einer Präsidentin Clinton selbst nur zu gern Außenminister geworden wäre, müht sich mit Afghanistan und Pakistan ab, George Mitchell mit dem Nahostkonflikt.

Lehrjahr

Gegenüber Israel hat sie sich denn auch ihre einzige Blöße gegeben, als sie vorübergehend von der Obama-Linie eines Siedlungsstopps abschwenkte und damit Konfusion auslöste. In einem harsch geführten Telefonat mit Premier Benjamin Netanjahu merzte sie die Scharte später wieder aus.

Schon im Senat, berichten Ex-Kollegen, habe sie das erste Jahr als Lehrjahr betrachtet. Zudem hat das Außenministerium an Nimbus und Einfluss eingebüßt, das Pentagon hat – erst recht in Kriegszeiten – dem State Department den Rang abgelaufen. Verteidigungsminister Robert Gates, ein Republikaner und von George W. Bush ins Amt berufen, ist neben Vizepräsident Biden zum wichtigsten Ratgeber Obamas in Kriegsdingen avanciert. Entgegen der traditionellen Rivalität der beiden Schlüsselressorts, etwa zu Zeiten Colin Powells und Donald Rumsfelds, strahlen Clinton und Gates große Harmonie aus. Bei der Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes verließ sie sich ganz auf seine Expertise.

Die Reisediplomatie fordert indes ihren Tribut. In einem Interview vermittelte die 62-Jährige den Eindruck von Amtsmüdigkeit, eine neuerliche Präsidentschaftskandidatur schloss sie aus. Aber nur wenige wollen daran glauben, dass die für ihre Selbstdisziplin bekannte Vollblutpolitikerin mit Star-Appeal in der ganzen Welt vorzeitig in den Ruhestand tritt.

© DiePresse.com

About this publication