Hypocritical Posturing about BP

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Scheinheiliger Streit um BP

von Gregor Haake

27.05.2010

Der britische Konzern steht für die schlimmste Umweltkatastrophe seit Jahren am Pranger. Und das vollkommen zu recht. Doch eigentlich gehören auch wir Verbraucher dort hin.

Seit über 30 Tagen sprudelt das Öl in 1500 Metern Tiefe und richtet eine beispiellose Umweltkatastrophe an, deren Folgen uns noch Jahre beschäftigen werden. Seit über 30 Tagen streiten der britische Konzern BP , Politik und Öffentlichkeit über Schuld und Verantwortung. Und seit über 30 Tagen wird eine scheinheilige Diskussion geführt.

Das Leck ist noch nicht richtig verschlossen, da wird schon reflexartig über Strafen und Konsequenzen gesprochen. Experten und Öffentlichkeit rufen nach dem Staat, nach mehr Kontrollen, Verboten und Regulierung. Und die Politik reagiert hastig mit Drohungen an die Wirtschaft. Es ist an Populismus nicht zu überbieten, wenn Grünen-Chefin Claudia Roth zum Boykott von BP aufruft.

Deutschland kann nicht auf den Ölkonzern schimpfen und gleichzeitig seine Wirtschaftskraft auf Autos und Maschinen stützen, die Kraftstoffe brauchen – und das nicht zu knapp. Auch das ist ein Grund dafür, dass BP überhaupt in 1500 Metern bohrt und dieses nicht akzeptable und unkalkulierbare Risiko eingeht. Der Mensch beherrscht diese Technik nicht.

Natürlich steht dahinter auch das Profitstreben eines Öl-Konzerns, der seine Aktionäre immer mit hohen Renditen und Dividenden verwöhnt hat. Dahinter steht aber auch eine Welt, die Öl als den Schmierstoff der Wirtschaft betrachtet. Jedes Mal, wenn sich die Benzinpreise in Deutschland der Marke von 1,50 Euro nähern, schreien wir Autofahrer auf. Und nun sollen wir BP boykottieren? Nun soll BP allein bluten?

So geht das nicht: Auf der einen Seite billiges Benzin haben und Autos fahren wollen, die 10 Liter auf 100 Kilometern schlucken. Und auf der anderen Seite sich nicht die Hände schmutzig machen wollen. Das funktioniert nicht. Und es beantwortet auch nicht die entscheidenden Fragen der Zukunft. Was ist die Basis für die künftige Energieversorgung? Womit sollen unsere Autos fahren? Womit heizen wir? Und vor allem: Was sind wir bereit, dafür zu bezahlen?

Es wir immer schwieriger, Öl zu gewinnen, weil die leicht zugänglichen Reserven schon längst gefunden und zu großen Teilen ausgebeutet sind. Darum wird in der Tiefsee oder in der Arktis gebohrt. Darum erschließt man etwa die kanadischen Ölsande. Der Preis dafür ist hoch. Wir zahlen ihn gerade im Golf von Mexiko! Und dann schimpfen wir darüber und steigen doch wieder in unsere großen Autos, weil es damit eben doch schneller zum Termin geht als mit dem Fahrrad oder der Bahn.

Eines ist klar: Es gibt keinen Freispruch für BP. Der britische Konzern muss das Leck schnell stopfen. Er muss für den Schaden aufkommen. Verantwortliche müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Und auch die Politik muss sich Gedanken darüber machen, wie sie etwa durch bessere Kontrollen von Bohrinseln das Risiko solcher Katastrophen eindämmen kann. Es kann aber auch keine Entlastung für Autofahrer und Energieverschwender geben. Sonst müssen wir uns auch in Zukunft auf den schrecklichen Anblick von ölverschmierten Vögeln, toten Fischen und schwarzen Stränden einstellen.

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