Jeder Präsident hat zu seinem Leidwesen erfahren müssen, dass die amerikanischen Gründerväter mit der Verfassung das Regieren nicht leicht, sondern schwer machen wollten. Verglichen mit den Hindernissen („checks and balances“), die in Washington die Macht des Präsidenten beschränken, erlauben die berechenbaren Mehrheiten eines parlamentarischen Systems dem Regierungschef tatsächlich eine Art „Durchregieren“.
Ernst Fraenkel, der nach seiner Rückkehr aus der Emigration in den Vereinigten Staaten einer der Mitbegründer der Politischen Wissenschaft in Deutschland war, hat früh darauf hingewiesen, dass das mächtigste Parlament der Welt nicht an der Themse, sondern am Potomac, in Washington residiere.
Fast 15 Monate hat Obama mit allen Tricks für sein erstes großes Reformprojekt, die Gesundheitsreform, kämpfen müssen. Beschlossen wurde es dann in stark verwässerter Form. Jetzt hat er ein zweites Wahlversprechen erfüllen können und seine Finanzreform ohne größere Abstriche durchgesetzt. Mit beiden Gesetzen ist eine ausgeweitete Staatsaktivität verbunden.
Das stößt in Amerika, anders als im kontinentalen Europa, immer auf Widerstand – nicht nur bei den Republikanern oder weiter rechts stehenden Bewegungen wie der „Tea Party“, die von jeher gegen „big government“ waren, sondern auch bei vielen derjenigen, die beispielsweise von der Gesundheitsreform profitieren, aber dennoch den amerikanischen Traum der Freiheit von staatlicher Bevormundung hochhalten. Wie sich das an den Wahlurnen ausmünzt, wird im November bei den Wahlen zur Mitte von Obamas Amtszeit sichtbar werden.
Innenpolitisch scheint Obama in die Spur zu kommen. Bedrückend bleiben allerdings die hohe Arbeitslosigkeit bei schwachem Wirtschaftswachstum und das gewaltige Haushaltsdefizit. In der Außenpolitik konnte der Präsident aber kaum Erfolge einheimsen. In Afghanistan wurden die amerikanischen Truppen massiv verstärkt; entscheidende Fortschritte bei der Befriedung und Stabilisierung des Landes stehen dennoch aus. Im Palästina-Konflikt navigiert Washington unentschlossen zwischen verhärteten Fronten. Was das iranische Nuklearprogramm angeht, läuft Amerika – und dem Westen – die Zeit davon. Jetzt, da er innenpolitisch die Hände freier hat, muss Obama auf diesem Feld mehr Energie und Zeit investieren.
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