In Afghanistan nichts Neues
27.07.2010
Die grausamen Details aus den Veröffentlichungen von Wikileaks dürften die Bedenken gegen den Afghanistankrieg stärken. Das ist zwarverständlich, aber trotzdem falsch.
Keine Frage: Die Sache ist skandalös. Wenn die Internetplattform Wikileaks gemeinsam mit renommierten Medien in drei Ländern mehr als 90.000 geheime Militärdokumente aus dem Afghanistankrieg veröffentlicht, dann ist das ein Desaster für das US-Militär und damit auch für die Regierung in Washington.
Präsident Barack Obama muss wie die Bundesregierung fürchten, dass die teils grausam detaillierten und offenbar authentischen Schilderungen von der Front die heimische Bevölkerung noch stärker gegen diesen Krieg aufbringen werden, weil sie ihn von seiner schmutzigsten Seite zeigen. Diese Reaktion der Öffentlichkeit mag verständlich und von Wikileaks sogar erwünscht sein. Inhaltlich gerechtfertigt wäre sie allerdings nicht. Denn nüchtern betrachtet liefert das, was die Journalisten aus dem Dokumentenwust extrahiert haben, keinen Grund für eine neue Einschätzung der Lage in Afghanistan.
Mit Ausnahme einiger Erkenntnisse über die Rolle Pakistans haben die Dokumente bisher kaum etwas entscheidend Neues hervorgebracht. Meist geht es um die zwar oft schrecklichen, aber auch nicht überraschenden Details einzelner Einsätze.
Die groben Fakten waren bereits vorher bekannt: Dass die Militäreinsätze am Hindukusch – gelinde formuliert – nicht optimal laufen, dürfte der Bevölkerung weder in den USA noch in Deutschland entgangen sein. Über getötete Zivilisten und fehlgeschlagene Militäroperationen wird in den Medien immer wieder berichtet. Und auch die Tatsache, dass gerade die Bundeswehr als Folge der neuen Militär- und Ausbildungsstrategie immer stärker in gefährliche Kämpfe verwickelt wird, ist keineswegs neu. Selbst Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat bereits angekündigt, dass die Zahl der toten deutschen Soldaten eher zu- als abnehmen wird.
Die Veröffentlichungen von Wikileaks mögen dazu dienen, der Welt die Schrecken des Afghanistankriegs vor Augen zu führen. Als Argument gegen den Einsatz an sich taugen sie nicht.
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