Two Wars, One Lesson

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Zwei Kriege, eine Lehre

Von Christoph von Marschall

20.08.2010

Von Bagdad nach Kabul: Wer Diktaturen stürzt, schafft noch keine Demokratie.

Mehr als sieben Jahre nach Kriegsbeginn ziehen die USA die letzten Kampftruppen aus dem Irak ab. Und die Bilanz? Das kommt ganz auf die Perspektive an.

Für die USA hat sich der Krieg nicht gelohnt. Mehr als 4400 Gefallene, Zehntausende körperlich und seelisch gezeichnete Soldaten, viele Billionen Dollar Steuergelder verpulvert, die im eigenen Bildungs- und Gesundheitssystem besser angelegt gewesen wären. Der internationale Ruf hat schwer gelitten. Und von der versprochenen Vorzeigedemokratie im Mittleren Osten, die auf die Nachbarn ausstrahlt, ist nichts zu sehen. Den Amerikanern ginge es besser, wenn sie Saddam Hussein an der Macht gelassen und „containment“ von außen betrieben hätten.

Mehr Vorteile haben die Iraker, jedenfalls die Mehrheit von ihnen. Die Elite der sunnitischen Minderheit, die unter Saddam an der Macht war und die Mehrheit der Schiiten und Kurden unterdrückte, fand es vermutlich damals angenehmer. Aber Schiiten und Kurden leben heute ein bisschen freier als zuvor. Viele von ihnen haben jetzt erst Zugang zu so grundlegenden Dingen wie Gesundheitsversorgung, Bildung, Kanalisation. Ob dies auf längere Sicht die Verluste an Menschenleben aufwiegt, die fast jede Familie zu beklagen hat, können die Iraker glaubwürdiger beurteilen als die Außenwelt.

Zur Wahrheit gehört auch: Die zivilen Toten waren in der überwältigenden Mehrheit nicht Opfer amerikanischer Bomben und Schüsse, sondern schiitischer und sunnitischer Todesmilizen sowie von Anschlägen islamischer Extremisten.

Im kommenden Jahr soll auch der Rückzug aus Afghanistan beginnen. Dort dauert der Einsatz der USA und der Nato bereits neun Jahre. Die Bilanz ist nicht besser. Offenkundig ist, welche Vorteile die westliche Präsenz der neuen Elite beschert, die Millionen Aufbaugelder in die eigene Tasche steckt. Immerhin erhalten manche arme Gegenden etwas Infrastruktur wie Brücken, Schulen, Brunnen. Doch welchen nationalen Vorteil kann Deutschland vorweisen, der es rechtfertigen würde, dass mehr als vierzig Soldaten sterben mussten und Milliarden Euro Steuergelder dorthin flossen?

Als die Interventionen beschlossen wurden, galten Deutschland und Japan nach dem Krieg als Vorbild. Wenn man die Diktaturen stürze und „nation building“ betreibe, könnten Afghanistan und Irak stabile Demokratien werden. Das hat schon in Bosnien und Kosovo nicht überzeugend geklappt.

Deutschland und Japan hatten damals verbrecherische Regierungen, aber sie waren nicht dysfunktionale Gesellschaften wie Irak und Afghanistan. Denen fehlt die Tradition stabiler Nationalstaatlichkeit. Ihre Eliten empfinden kein Verantwortungsgefühl für den Gesamtstaat. Die Loyalität gilt dem Stamm. Der Westen kann keinen Staat aufbauen, wenn die heimischen Eliten die Verantwortung für das Gemeinwesen verweigern. Um Terrorlager zu bekämpfen, muss man kein Land besetzen. Vermutlich wäre „containment“ von außen die weniger blutige und preiswertere Alternative gewesen.

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