Der Sieger heißt Iran
von Gudrun Harrer
31. August 2010
Klug, dass Obama noch keine “Mission accomplished” verkündet
September ist der Irak also ein gehaltenes Wahlversprechen von US-Präsident Barack Obama: Der “Krieg” ist beendet, die verbleibenden 50.000 US-Soldaten wurden “umgewidmet”, und in 14 Monaten sollen auch sie abgezogen sein. Dann wird von der ehemaligen Besatzungsmacht nur mehr bleiben, was in der – gigantischen – US-Botschaft in Bagdad Platz hat.
Immer vorausgesetzt, es läuft alles nach Plan. Denn seit 2003 war der Irak immer ein Niemandsland zwischen Wunsch und Wirklichkeit, in dem, zu ihrem Unglück, jedoch reale Menschen wohnen. An den Wunschmärchen spinnen nicht nur die Amerikaner, sondern auch die neue irakische Führungsschicht. Der TV-Auftritt von Premier Nuri al-Maliki am Dienstag lag im Realitätsgehalt ziemlich genau in der Mitte zwischen den Auftritten des irakischen Informationsministers – Comical Ali, wer erinnert sich noch? -, der am Tag vor dem Fall des Regimes im April 2003 den Sieg verkündete, und dem kürzlichen Aufschrei vom ehemaligen Saddam-Vize Tarik Aziz aus dem Gefängnis: Die USA würden den Irak den Wölfen vorwerfen.
Die Wölfe, das sind bei Aziz die Iraner. Wenn Maliki (nicht zum ersten Mal) die wiedererlangte volle Souveränität und die ebenso volle Kontrolle über alle Vorgänge im Land verkündet, dann verschweigt er zum Beispiel, dass sich in letzter Zeit die Grenzverletzungen an der irakisch-iranischen Grenze häufen. Die Regierung – nicht demokratisch legitimiert, weil sechs Monate nach den Parlamentswahlen noch immer im Amt – pflegt das als “Kleinigkeiten” abzutun, die Amerikaner schweigen peinlich berührt. Sind ja nur die iranischen Freunde und Nachbarn.
Jene Kräfte im Irak, Sunniten und Säkulare, die Angst vor dem Iran haben, sehen dies ein bisschen anders – und laufen Gefahr, sich jedem in die Arme zu werfen, der sich als Bollwerk gegen die iranische Gefahr anpreist. Das hatten wir schon einmal, 1979, als das westlich orientierte irakische Bürgertum Saddam Hussein als das kleinere Übel im Vergleich zur schiitischen Revolution ansah.
Die meisten Bilanzen der Irak-Invasion und den sieben Jahren danach konzentrieren sich auf die inneren Auswirkungen im Irak und das Paket, das sich die USA damit aufgebürdet haben. Die wichtigste regionale Folge – mit einer überregionalen Bedeutung – wird oft ausgelassen: der Aufstieg des Iran. Und dieser Teil der Irak-Geschichte lässt sich nicht abschließen, da hilft Obama kein “Hinter mir die Sintflut”. Der knappe Wahlsieger Iyad Allawi sagt in einem Interview mit dem Spiegel, dass er mit einem Krieg gegen den Iran rechnet. Was sich in diesem Fall im Irak abspielen wird, lässt sich kaum ausmalen. Klug, dass Obama noch keine “Mission accomplished” verkündet. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 1.9.2010)
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