9/11: Day of Sadness, Day of Rage

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11. September – Tag der Trauer, Tag des Zorns

Von Peter Wütherich

Die Welt schaut nach Amerika, neun Jahre nach den Terroranschlägen des 11. September. Politische Polarisierer und ein Kalenderzufall machen diesen Samstag brisant.

In den Jahren nach den Terroranschlägen von 2001 war der 11. September in den USA ein Tag, an dem die Nation in stillem Gedenken zusammentrat und ein Signal der Geschlossenheit aussandte. Inzwischen, neun Jahre nach den Attentaten, hat sich die Atmosphäre um den Gedenktag verändert. Aktivisten instrumentalisieren ihn USA-weit für politische Provokationen – oft mit fremdenfeindlichem und antimuslimischem Unterton. Statt andächtigem Innehalten steht den USA ein Tag bevor, an dem bittere Gegensätze zutage treten.

An Ground Zero in New York, dem Standort des zerstörten World Trade Center, soll am Samstag eine Demonstration gegen den geplanten Bau eines islamischen Zentrums stattfinden, zu der sich auch der niederländische Rechtspopulist und Islamkritiker Geert Wilders angesagt hat. Außerdem wollen die Ex-Gouverneurin Sarah Palin und der TV-Moderator Glenn Beck, zwei Galionsfiguren der Rechten (lesen Sie hier mehr) , den Gedenktag für eine eigene Großkundgebung nutzen.

Komplett überlagert wurde das Gedenken an die 3000 Opfer der Terroranschläge im Vorfeld von der weltweiten Diskussion um den Plan einer fundamentalistischen Kleingemeinde in Florida, am 9/11-Jahrestag öffentlich den Koran zu verbrennen. Erst nach einem Anruf von Verteidigungsminister Robert Gates lenkte der Pastor der Kirche in Gainesville, Terry Jones, ein. Mit seinen diffusen Warnungen vor einer Dominanz des Islam in den USA formulierte der Pastor freilich eine allgemeine Furcht, die sich USA-weit immer lauter Gehör verschafft. (lesen Sie hier mehr)

„Was wir derzeit erleben, ist eine mächtige Welle antimuslimischer Rhetorik in unserer Gesellschaft“, sagt Ibrahim Hooper, Sprecher des Rats für Islamisch-Amerikanische Beziehungen. Die Vorsitzende der Islamischen Gesellschaft Nordamerikas, Ingrid Mattson, sagt: „Ich höre von hiesigen Muslimen, dass sie sich so ängstlich und unsicher fühlen wie seit den Tagen nach dem 11. September nicht mehr.“

Die politische Instrumentalisierung des Gedenktags hatte in den vergangenen Jahren noch als Tabu gegolten. Die wachsende Abneigung gegen Präsident Barack Obama, anhaltende Arbeitslosigkeit und Unsicherheit verschärfen derzeit aber die politische Polarisierung. Sie schürt Abwehrreflexe, die sich insbesondere gegen Immigranten und Muslime richten.

Ebenfalls für den 11. September hat ein Aktionsbündnis mit dem Namen „Stop the Islamization of America“ („Haltet die Islamisierung Amerikas auf“) zu einer Kundgebung nahe Ground Zero in New York aufgerufen. Der Streit um das dort geplante Islamzentrum spaltet die USA. Als Redner hat sich neben dem Niederländer Geert Wilders auch der republikanische Vordenker und frühere Chef des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, angekündigt. Gingrich verglich das geplante Zentrum mit einem Hakenkreuz nahe eines Holocaustmuseums.

Auch die umtriebige Ex-Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin und der stramm rechte TV-Moderator Glenn Beck wollen dem Gedenktag einen politischen Stempel aufdrücken. Sie luden für Samstag zu einer Großkundgebung in Palins Heimat Alaska. Sie wolle den Tag „mit Patrioten begehen, die niemals vergessen“, was den USA am 11. September angetan wurde, erklärte Palin. Mit ihrer aggressiven Rhetorik gegen die Obama-Regierung zählen Palin und Beck zu den polarisierendsten Aktivisten in den USA.

Zusätzlich belastet wird der 9/11-Gedenktag noch durch einen heiklen Zufall des Kalenders. Der muslimische Feiertag Eid al-Fitr, an dem die Gläubigen traditionell das Ende des Fastenmonats Ramadan feiern, fällt in diesem Jahr ausgerechnet auf den 11. September. Viele Muslime in den USA fürchten, dass Kritiker das fröhliche Fastenbrechen mutwillig als Feier zu Ehren der Attentäter von 9/11 fehlinterpretieren könnten. Mancherorts wurden die Feiern deshalb bereits abgesagt.

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