Amerika rückt nach rechts
von Reymer Klüver
15.09.2010
Die Kaperung der Republikanischen Partei ist in vollem Gange. Der Sieg der Tea-Party-Kandidatin Christine O’Donnell ist aber auch eine Katastrophe für Barack Obama: Seine Regenbogenkoalition hat sich in Luft aufgelöst.
Gewiss, es ist bloß Delaware, der zweitkleinste Bundesstaat Amerikas. Nur ein paar zehntausend Wähler haben abgestimmt. Sie haben dort eine Frau zur Senatskandidatin der Republikaner erhoben, die noch vor Jahresfrist als unwählbar gegolten hätte, einfach weil sie reichlich einfältig wirkt und politisch weit rechts außen steht.
Die Abstimmung in Delaware zählte zu den letzten in der langen Serie der Vorwahlen, bei denen die Kandidaten für die US-Kongresswahl Anfang November bestimmt wurden. Ihr Ergebnis macht sie zu einem Knaller, der nirgendwo in den Vereinigten Staaten überhört wird. Die Wahl der Tea-Party-Kandidatin Christine O’Donnell signalisiert nichts Gutes – nicht für die Republikaner, nicht für die Demokraten (auch wenn sie das im Moment vielleicht anders sehen), und nichts Gutes vor allem für Amerikas Politik insgesamt.
Die rechtskonservative Tea Party feiert. Ihre Kandidatin, der die republikanischen Granden nicht einmal einen Sieg bei der Wahl zur Hundefängerin zugetraut hatten (das ist in Amerika vielerorts ein Wahlamt), hat den Mann des republikanischen Partei-Establishments zur Seite gefegt. Das passierte nicht das erste Mal.
Bereits in sechs Senatsvorwahlen von Alaska bis Florida haben Tea-Party-Leute renommierte Kandidaten der Republikaner aus dem Rennen geboxt. Das funktionierte immer nach demselben Muster: Sie haben die etablierten Bewerber als zu links gegeißelt und sich als aufrechte Konservative stilisiert, die Steuern senken, den Bürger vor den Zumutungen des Staates schützen und die vorlaut gewordenen Demokraten in ihre Schranken weisen wollen.
Ihr Erfolg offenbart das gewaltige Problem der Republikaner, die extrem konservativen Populisten kapern die Partei. Und sie sind bereit, jeden Preis dafür zu zahlen.
Das konservative Alaska oder das bibeltreue Utah werden im November auch Tea-Party-Leute in den Senat schicken. Andernorts ist das jedoch völlig offen, in Nevada oder Florida zum Beispiel. In Delaware ist der Vorwahl-Erfolg der Tea Party ein vollkommener Triumph wider alle politische Vernunft. Denn die Wähler in dem Bundesstaat gelten als relativ moderat. Eine Kandidatin deutlich rechts von der Mitte dürfte bei der Senatswahl im November gar keine Chance haben.
Deshalb jubeln auch die Demokraten. Der Sieg der Tea-Party in Delaware hat die Wahlarithmetik für den US-Senat erneut verschoben. Mit dem schon sicher geglaubten Sitz von Delaware hatten die Republikaner erhofft, im November nicht nur die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erobern, sondern auch im Senat die Macht zurückzugewinnen – nur zwei Jahre nach dem Kantersieg von Barack Obama. Ohne Delaware wird es nun aber nichts mit der Mehrheit im Senat. Den Demokraten bleibt, wenn nicht noch ein ungeahntes Desaster eintritt, zumindest die Vorherrschaft im Oberhaus des Kongresses.
Ein rabenschwarzer Tag für die Demokraten
Dieser Erfolg kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wahl den Demokraten einen rabenschwarzen Tag bescheren wird. In Europa, in Deutschland macht man sich noch immer wenig Vorstellungen davon, wie unpopulär die Demokraten und ihr Präsident bei den Amerikanern inzwischen sind. Die jüngsten Umfragen des German Marshall Fund belegen das eindrucksvoll. Danach steht Obama in Europa noch hoch im Ansehen. In den USA hat er jedoch weitgehend verspielt. Innerhalb von nicht einmal zwei Amtsjahren hat er es geschafft, so unpopulär zu sein wie sein Vorgänger George W. Bush nach sechs Jahren Präsidentschaft, auf dem Höhepunkt des unseligen Irakkrieges.
Die Gründe für die zu erwartende Wahlpleite der Demokraten sind offensichtlich. Obama hat die von seinem Vorgänger hinterlassene Wirtschaftsmisere erst unterschätzt und dann nicht richtig in den Griff bekommen. Niedrige Wachstumsraten und hohe Arbeitslosenquoten tragen zu einer gewaltigen Wählerunzufriedenheit im ganzen Land bei. Dazu hat er die Linken enttäuscht, denen seine Reformen nicht weit genug gehen. Sie werden nicht zur Wahl gehen. Die Rechten hat er gegen sich aufgebracht, weil sie die Reformen als zu weit gehend empfinden. Sie werden deshalb wählen.
Vor allem aber hat Obama den Frust im Land unterschätzt und die Wucht der Tea-Party-Bewegung, die der Unzufriedenheit Forum und Stimme gibt. Sie ist die bei weitem lebendigste politische Bewegung in Amerika. Obamas bunte Koalition links von der Mitte, in der sich die Jungen und die Intellektuellen engagierten, die eine Mehrheit der Frauen ansprach, genauso wie die Minderheiten der Schwarzen und der Latinos, diese Allianz hat sich in Luft aufgelöst.
Die Neue Rechte aber wächst. Sie bestimmt die Agenda. Amerika steht vor einem Rechtsruck. Die Republikaner sind ohnehin bereits in diese Richtung marschiert, egal wie viele Tea-Party-Wirrköpfe am Ende nach der Wahl im November Sitz und Stimme im Kongress haben werden. Die Demokraten und ihr Präsident aber stecken nun vollends in der Defensive. Sie werden nur mehr reagieren und nicht mehr agieren können, weil ihnen die Mehrheit zum Gestalten fehlt. Auch das signalisiert die Vorwahl im kleinen Bundesstaat Delaware.
Leave a Reply
You must be logged in to post a comment.