Bye-Bye, Barack — Here Comes Hussein!

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Baba, Barack! Hier kommt Hussein

SIBYLLE HAMANN (Die Presse)

22.09.2010

Wie leicht man jemanden zum Staatsfeind machen kann, wenn man will.

Auch in den USA ist Wahlkampf. Fast alles ist dort anders. Ähnlich ist nur, dass man derzeit auch dort beobachten kann, was geschieht, wenn eine vage, weitverbreitete Unsicherheit auf gezielte, demagogische Manipulation trifft. Der absurdeste Unsinn kann politisch wirkmächtig werden, wenn sich bloß jemand findet, der die Energie und Entschlossenheit aufbringt, ihn oft genug zu wiederholen, ohne Rücksicht auf Kollateralschäden.

Es begann damit, dass jeder, der Obama ins Zwielicht bringen wollte, Zweifel an seinem Geburtsort äußerte – vielleicht ist er gar kein richtiger Amerikaner? Ein Fremder? Und unrechtmäßig Präsident? Wer ein Schäuferl nachlegen wollte, nannte ihn nicht bei seinem ersten, sondern beim zweiten Vornamen. Hussein – das klingt schon ähnlich gefährlich wie Saddam. Rush Limbaugh, Radio-Talker und Brandstifter vom Dienst, nennt ihn vor Millionenpublikum gern „Imam Obama“ oder „den ersten muslimischen Präsidenten Amerikas“.

Haha, sehr lustig? Einerseits. Andererseits brutal wirksam. Eine detaillierte Umfrage des Pew Research Center zeigte kürzlich erstaunliche Ergebnisse: 24Prozent der Amerikaner glauben mittlerweile, sie würden von einem Muslim regiert. Nur noch 42Prozent wissen, dass er Christ ist (vorher, im Wahlkampf, wussten das immerhin noch 61Prozent). Jeder Zehnte hält ihn für „etwas anderes“.

Für sich genommen wäre das noch nicht so tragisch. Stünden Muslime derzeit nicht unter Generalverdacht, Staatsfeinde und Terrorfreunde zu sein – in den USA ebenso wie bei uns. Und damit zum seltsamsten Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Republikaner hält es für „sicher“ oder „wahrscheinlich“, dass der US-Präsident „mit den Zielen der islamischen Fundamentalisten sympathisiert, die überall auf der Welt das islamische Recht durchsetzen wollen“; nur ein Viertel kann das ausschließen. Die Rechten fordern schon ein Bundesgesetz, das die Einführung der Scharia in den USA verbietet. Sicherheitshalber.

Dementieren hilft da nicht. Je öfter sich Obama vor eine TV-Kamera stellte, um zu versichern: Nein, keineswegs! Er sei kein Moslem und kein Terrorist, und nein, mit der Scharia habe er nichts am Hut – es würde ihn nur noch verdächtiger machen. Denn wer sich ständig distanziert, muss etwas zu verbergen haben, oder? Je heftiger einer sich wehrt – desto präziser hat man doch seinen wunden Punkt erwischt! Und gibt es bei den Muslimen nicht eine Glaubensregel, die es ihnen erlaube, zu lügen, wenn es dem Wohle Allahs dient? („Mit gespaltener Zunge sprechen“ wird das genannt und häufig auch Juden unterstellt.)

Jon Stewart, der hellsichtigste Late-Night-Talker aller Zeiten, ruft für 30. Oktober zu einem Marsch nach Washington. Gegen die Hysterie, für die Vernunft. „Stellen Sie es sich wie Woodstock vor, nur ohne Drogen und nicht nackt.“ Zeit wird’s.

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