Die Todesstrafe ächten
Von Jürgen Heiser
09.10.2010
Entschließungsantrag im Europäischen Parlament mit großer Mehrheit angenommen. Im Fall Mumia Abu-Jamal soll fraktionsübergreifende Delegation in die USA reisen
Drei Tage vor dem 10. Oktober, an dem jährlich der Internationale Tag gegen die Todesstrafe begangen wird, hat das Europaparlament am Donnerstag mit großer Mehrheit einen Entschließungsantrag gegen die Todesstrafe angenommen. 574 Abgeordnete stimmten dafür, 25 dagegen, 39 enthielten sich. Sabine Lösing von der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL), die an den Verhandlungen über die Resolution maßgeblich beteiligt war, gegenüber der Presse: »Wir dürfen es als großen Erfolg werten, durchgesetzt zu haben, daß der afroamerikanische Journalist, Autor und Menschenrechtsaktivist Mumia Abu-Jamal in der gemeinsamen Resolution zweimal namentlich erwähnt wird. Das ist ein wichtiger Erfolg und endlich eine deutliche Aussage des Europäischen Parlaments.«
Schon in der Plenardebatte am Vortag waren Barbara Lochbihler, die frühere Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International und jetzige Menschenrechtssprecherin der Europagrünen, und Sören Bo Sondergaard (GUE/NGL) ausführlich auf die Todesstrafe in den USA und auf Mumia Abu-Jamal, der seit fast drei Jahrzehnten im US-Bundesstaat Pennsylvania im Todestrakt sitzt, eingegangen.
Die Resolution stützt sich auf zahlreiche völkerrechtliche Resolutionen, Pakte und Konventionen, einschließlich der beiden Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus den Jahren 2007 und 2008, mit denen nachdrücklich die weltweite Abschaffung der Todesstrafe gefordert wird. Die Entschließung ermutigt Nichtregierungsorganisationen ausdrücklich dazu, sich für die Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen.
Neben den USA werden weitere Länder, in denen die Todesstrafe praktiziert und ihre Vollziehung zum Teil als »Staatsgeheimnis« behandelt wird, besonders hervorgehoben. Darunter China, Iran, Saudi-Arabien, Ägypten, Nigeria, Libyen, Belarus, Nordkorea, Japan und Irak, wo der »Präsidialrat vor kurzem die Todesstrafen von mindestens 900 Häftlingen, darunter Frauen und Kinder, ratifiziert hat«, wie es im EU-Dokument heißt.
Die Resolution verweist auf Artikel 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der besagt: »Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt und hingerichtet werden«, und äußert die Erwartung, »daß sich die Europäische Union vehement dafür einsetzt, auf die weltweite Abschaffung der Todesstrafe hinzuarbeiten«.
Damit verbunden ist ein klarer Auftrag an die Europäische Kommission und Catherine Ashton, die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. Ashton hatte sich in ihrer Rede zur Politik der Menschenrechte in der Plenarsitzung vom 16. Juni 2010 eindeutig positioniert und betont, die weltweite Abschaffung der Todesstrafe stelle eine Priorität für die EU und für sie persönlich dar. Nun ist sie vom Parlament beauftragt zu handeln »unter nachdrücklichem Hinweis auf die Fälle von Mumia Abu-Jamal im Todestrakt in Pennsylvania und Troy Davis in Georgia«. Ashton wird aufgefordert, »sich regelmäßig persönlich für diejenigen Menschen einzusetzen, die der Gefahr einer unmittelbar bevorstehenden Hinrichtung ausgesetzt sind.«
Die Abgeordnete Lösing verspricht nachzuhaken: »Ich werde daher von nun an in regelmäßigen Abständen die Kommission und Frau Ashton fragen, ob sie den Auftrag, den sie vom Europäischen Parlament bekommen haben, auch tatsächlich erfüllen.« Ihre Fraktion werde massiven Druck ausüben.
Anläßlich der Plenardebatte über die Resolution und ihrer abschließenden Verabschiedung fanden in Brüssel mehrere Veranstaltungen und Arbeitstreffen der linken und grünen EU-Fraktionen statt, zu denen Robert R. Bryan als Hauptverteidiger Mumia Abu-Jamals eingeladen war. Zum weiteren Vorgehen gaben Lösing und Sondergaard bekannt, im Fall Abu-Jamals möglichst noch im kommenden Januar eine fraktionsübergreifende Delegation in die USA entsenden zu wollen.
In der Fraktionssitzung der GUE/NGL betonte Bryan, wie dringend notwendig die Unterstützung aus Europa sei. Gerade das Auftreten der EU-Abgeordneten gegen die Todesstrafe in den USA und für Leben und Freiheit seines Mandanten sei von großer Bedeutung. Er forderte alle Abgeordneten auf, in ihren Heimatländern für die Unterzeichnung der Onlinepetition an US-Präsident Obama zu werben. Wichtig sei jetzt die Mobilisierung der europäischen Öffentlichkeit angesichts der für den 9. November 2010 vor dem 3. US-Bundesberufungsgericht angesetzten mündlichen Anhörung zu der Frage, ob das Todesurteil beibehalten oder in einem weiteren Juryprozeß in lebenslange Haft umgewandelt wird. Bryans Appell: »Mumia und ich zählen auf Ihre Unterstützung. Unser Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe geht verstärkt weiter.«
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