US-Drohnen und Völkerrecht: Tod von oben
Von Jost Müller-Neuhof
11.10.2010
Die US-Drohnen, die derzeit in Pakistan töten, verstoßen gegen Völkerrecht – und demütigen jene, die sie überleben.
Ein Friedensnobelpreis kann einiges bewirken und manchmal auch das Gegenteil. Man weiß es vorher nicht, es ist eine Wette auf die globale Politik, ein Symbol. So ist es jetzt beim Chinesen Liu Xiaobo, so war es beim Amerikaner Barack Obama. Der Unterschied: Liu hat eine Weltmacht gegen sich, Obama eine hinter sich. Der Chinese wurde mit dem Preis gewürdigt, der Amerikaner damit verpflichtet. Man darf sich wundern, was der Geehrte daraus macht.
Unter Obama sind die US-Drohnenangriffe im pakistanischen Grenzgebiet zum probaten Kriegsmittel avanciert. In seiner kurzen Amtszeit befehligte er doppelt so viele ferngesteuerte Attentate wie sein Vorgänger George W. Bush – der mit Guantanamo, Abu Ghreib und Waterboarding einen zweifelhaften Ausnahmestatus in der Völkerrechtsgeschichte westlicher Demokratien errang. Komisch, über Obama und seinen streitbaren Tiefflug unter dem Weltrechtsradar spricht kaum einer. Er profitiert von seinem Saubermannimage und überlässt die Schmutzarbeit, auch darin seinem Vorgänger ähnlich, seinen Geheimdienstleuten.
Nun muss man differenzieren: Ob die Exekutionen illegal sind oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls und der Umstände. Problematisch jedenfalls sind sie, das ist die völkerrechtliche Sichtweise der Europäer. Es ist Krieg, sagen dagegen die Amerikaner und liegen damit nicht immer falsch. In bewaffneten Konflikten schrumpfen die Rechtspositionen der Beteiligten auf null. Sie sind, so zynisch das klingt, nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Abschuss freigegeben. So sehr die „gezielten Tötungen“ der Amerikaner das europäische Rechtsempfinden in Wallung bringen, man darf nicht vergessen, dass Töten zum Krieg gehört, wenn auch nicht unbedingt zum Krieg gegen den Terror. Doch als zwei F-16-Jäger vor vier Jahren Al-Qaida-Führer Abu Musab al Sarkawi den Garaus machten, freute sich auch die deutsche Kanzlerin.
Die Deutschen konnten die fatale Wirklichkeit des Kriegshandwerks zudem am Luftschlag von Oberst Klein in Afghanistan studieren, dem es ebenfalls nach eigenen Worten darum ging, Aufständische zu vernichten. Der Mann wurde befördert, das Strafverfahren gegen ihn eingestellt; weshalb die Bundeswehr aber auch disziplinarisch keine Probleme sieht, obwohl Klein gegen Einsatzregeln verstieß, bleibt ihr Geheimnis. Man merkt: Krieg ist und bleibt eine Domäne der Macht, keine des Rechts.
Hinnehmen sollte man das alles nicht, und deutsche Bundesanwälte müssen ermitteln, wenn Deutsche Opfer von US-Drohnen geworden sein sollten. Doch im Völkerrecht zählt das politische Argument mehr als das juristische. Und hier ist das Problem des „gezielten Tötens“, dass Leute, die Kriege führen, oft dieselben sind, mit denen man wirksam Frieden schließen könnte. Hinzu kommt, dass Drohnen die arroganteste Art sind, seine Feinde umzubringen. Wer diese unbemannte Waffe einsetzt, muss wissen, dass er demütigt und erniedrigt, wen er nicht tötet. Die Zukunft des Krieges mögen sie sein. Die des Friedens sind sie nicht.
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