Bei den Midterm-Elections kommende Woche geht es nur noch um das Ausmaß der Niederlage der Demokraten und die Folgen für Obama.
Von Ansgar Graw
Selten waren die Prognosen zu den Midterm-Elections, den Wahlen zur Halbzeit der Präsidentschaft, so eindeutig wie in diesem Jahr – und noch seltener waren die Konsequenzen des erwarteten Ergebnisses so schwer zu berechnen.
Am nächsten Dienstag wird über alle 435 Abgeordnete im Repräsentantenhaus sowie über 37 von 100 Senatoren (und zudem in 38 Bundesstaaten über den Gouverneur) abgestimmt, und sicher ist, dass die Demokraten, die bislang beide Kammern dominieren, schmerzhafte Niederlagen erleben werden. Im „House“ werden die Republikaner mit großer Wahrscheinlichkeit jene 39 Sitze hinzugewinnen, die ihnen zur Mehrheit fehlen. Im Senat müssten sie den Demokraten zehn Sitze abjagen, und das ist zumindest nicht ausgeschlossen.
Rückschläge zur Halbzeit sind die Regel
Dass Barack Obamas Demokraten auf jeden Fall besiegt und möglicherweise gleich grün und blau geprügelt werden, hat drei ausgesprochen objektive Gründe. Den ersten haben die Gründerväter der USA ihren Landsleuten mit der Forderung nach „checks and balances“ eingeimpft. Die entscheidende Gruppe der „unabhängigen Wähler“ bestätigt in Umfragen, dass sie eingedenk des Prinzips von Gewaltenkontrolle und –teilung vor Ort jeweils die Partei wählt, die nicht das Weiße Haus beherrscht. Darum sind Rückschläge für Präsidenten zur Halbzeit einer Legislatur die Regel (auch wenn es gelegentlich Ausnahmen gab, etwa 2002 nach dem 9/11-Schock).
Den zweiten Grund für ihre bevorstehende Niederlage haben sich die Demokraten durch ihre überproportionalen Zugewinne 2006 und 2008 selbst erkämpft. Ihre Erfolge auch in Republikaner-roten Wahldistrikten waren der Unpopularität des späten George W. Bush und der Faszination des ursprünglichen Obama zu verdanken. Sie konnten nicht von Dauer sein. Ein Teil der demokratischen Verluste nächste Woche bedeutet also nur eine Wiederherstellung der Norm.
Wahlen nach Wirtschaftslage
Der dritte Grund? “It’s the economy, stupid!” Der Präsident wird die Richtigkeit der Weisheit von Bill Clinton aus dem Jahr 1992 zu spüren bekommen, nämlich dass der Wähler seine Entscheidung in erster Linie von der Wirtschaftslage abhängig macht. Die gegenwärtige Administration hat die Immobilienpleite, den Banken-Crash und die globale Finanzkrise nicht zu verantworten. Aber es war Obama, der sein Billionen-schweres Stimulus-Paket mit dem Versprechen anschob, die Arbeitslosigkeit unter acht Prozent zu halten. Tatsächlich liegt sie bei fast zehn Prozent. Das kreiden ihm nicht nur eingefleischte Republikaner an.
Darum werden die Midterm-Elections selbstverständlich zu einer Abstimmung über die Politik Barack Obamas. Der Präsident hat das im Wahlkampf in doppelter Weise dokumentiert: zum einen trat er, das Jackett ausgezogen, die Ärmel hochgekrempelt, in den letzten Tagen mit kämpferischen Reden wieder selbst vor die Wähler und knüpfte, durchaus zündend, an seine „Change“-Rhetorik an. Und zum anderen hielt er sich bewusst fern aus Wahldistrikten konservativer Parteifreunde, die verzweifelt versuchen, regionale Themen ins Zentrum ihrer Kampagnen zu rücken und den Mann im Weißen Haus zu ignorieren.
Ein allzu glorreicher Sieg könnte teuer werden
Bei der Analyse möglicher Folgen eines Verlustes der demokratischen Mehrheit zumindest im Repräsentantenhaus beginnen die Widersprüchlichkeiten. So kann für die Republikaner, die an allen Fronten angreifen müssen, ein allzu glorreicher Sieg teuer werden. Eine Mehrheit in Kongress und Senat wäre nämlich nur zu erreichen, wenn etliche populistische Tea-Party-Kandidaten (es muss ja nicht gleich die so dreiste wie unbedarfte Senatsanwärterin Christine O’Donnell in Delaware sein) auf ihrem Ticket obsiegen sollten. Das aber würde die Republikaner weiter nach rechts driften lassen. Eine solche Partei wäre für viele Unabhängige nicht mehr wählbar, wenn es 2012 ums wichtigste Amt geht.
Ein amerikanischer Traum
Für die Demokraten, die ihre Mittel auf die überschaubare Zahl der „gewinnbaren“ Distrikte konzentrieren kann, vergrößert natürlich jeder verlorene Sitz die Pein. Obama hingegen könnte einer republikanischen Mehrheit im Kongress durchaus positive Seiten abgewinnen. Sollte der Jobmotor auch in den kommenden beiden Jahren nicht anspringen, würde er den schwarzen Peter an die „Grand Old Party“ weiterzureichen versuchen. Ihre Blockade seiner Vorstöße zur Stärkung kleiner Unternehmer oder der Konjunktur hätten den Aufschwung verhindert, würde er 2012 argumentieren. Und sollte die Wirtschaft bis dahin wieder anziehen, hätte Obama trotz seiner derzeitigen miserablen Umfragewerte ohnehin wieder alle Chancen.
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