WikiLeaks Publication Becomes a Diplomatic Disaster

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Die Wikileaks-Veröffentlichungen vertraulicher und teils geheimer Berichte des US-Außenministeriums enthüllen wenig schmeichelhafte Urteile der Amerikaner über deutsche und ausländische Politiker.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bescheinigten sie, „selten kreativ“ zu sein und das Risiko zu meiden. CSU-Chef Horst Seehofer wird als „unberechenbar“ charakterisiert, Außenminister Guido Westerwelle (FDP) als „aggressiv“. Das geht aus den Dokumenten hervor, aus denen „Der Spiegel“ in seiner neuesten Ausgabe zitiert.

Das Magazin wollte die Ausgabe eigentlich erst am Sonntagabend um 22.30 Uhr veröffentlichen. Jedoch wurden im Internet- Nachrichtendienst Twitter bereits Hinweise auf Kopien versendet. Auch an einzelnen Bahnhöfen war das Magazin mit der Titelgeschichte „Enthüllt – Wie Amerika die Welt sieht“ zu kaufen. Weltweit hatten sich Regierungen auf die Veröffentlichung vorbereitet. Die USA warnten auch Deutschland vor.

Die Amerikaner beurteilten vor allem Westerwelle kritisch. Kurz vor der Bundestagswahl im September 2009 heißt es in einer Einschätzung des US-Botschafters Philip Murphy in Berlin zu dem FDP- Chef: „Er wird, wenn er direkt herausgefordert wird, vor allem von politischen Schwergewichten, aggressiv und äußert sich abfällig über die Meinungen anderer Leute.“ Westerwelle sei eine unbekannte Größe („Wild Card“) mit „überschäumender Persönlichkeit“. Sein Geltungsdrang werde zu Kompetenzrangeleien mit der Kanzlerin führen.

Wenig Lobendes haben die US-Diplomaten laut „Spiegel“ auch über Merkel selbst zu berichten. Vor einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama im April 2009 heiße es in den US-Akten: „Merkel ist methodisch, rational und pragmatisch.“ Unter Druck agiere sie „beharrlich, aber sie meidet das Risiko und ist selten kreativ“. Die Amerikaner berichteten, Merkel sei „bekannt für ihren Widerwillen, sich in aggressiven politischen Debatten zu engagieren. Sie bleibt lieber im Hintergrund, bis die Kräfteverhältnisse klar sind, und versucht dann, die Debatte in die von ihr gewünschten Richtung zu lenken“. Weil vieles an ihr abgleite, werde die Regierungschefin intern in den US- Berichten „Angela „Teflon’ Merkel“ genannt – in Anspielung auf die nichthaftende Beschichtung von Bratpfannen.

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Seehofer gilt laut „Spiegel“ bei den Amerikanern als Populist. Außenpolitisch sei er weitgehend ahnungslos. Bei einem Treffen mit Murphy habe er nicht einmal gewusst, wie viele US-Soldaten in Bayern stationiert seien.

Noch schärfer seien die US-Diplomaten aber mit Günther Oettinger (CDU) ins Gericht gegangen, als der Ministerpräsident von Baden- Württemberg als Energiekommissar nach Brüssel wechselte. Es sei bei diesem Schritt darum gegangen, „eine ungeliebte lahme Ente von einer wichtigen CDU-Bastion zu entfernen“.

Der langjährige Innenminister Wolfgang Schäuble galt laut „Spiegel“ als Verbündeter der Amerikaner. Seinen Wechsel ins Finanzressort habe die US-Regierung mit Sorge betrachtet. Mehrfach hätten die Amerikaner moniert, dass der neue Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in der Terrorbekämpfung angeblich weniger Expertise und weniger Enthusiasmus zeige als Schäuble. De Maizières ersten Auftritt habe US-Botschafter Murphy als „seltsam“ bezeichnet. „Das Kabel trägt den Titel: „Der neue deutsche Innenminister hat eine steile Lernkurve vor sich’“, schreibt das Magazin.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gilt als „enger und bekannter Freund der USA“. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) haben die Amerikaner dagegen als Kontrahentin ausgemacht, deren Ansicht US-Interessen zuwiderliefen, etwa beim Datenschutz.

Die US-Zeitung New York Times spricht mit Blick auf die Akten von einem „beispiellosen Blick auf Hinterzimmer-Verhandlungen von Botschaften rund um den Globus, brutal offene Ansichten über ausländische Führer und freimütige Einschätzungen von terroristischer und nuklearer Bedrohung“. Laut „Spiegel“ wird der afghanische Präsident Hamid Karsai als „schwache Persönlichkeit“ beschrieben, der von „Paranoia“ und „Verschwörungsvorstellungen“ getrieben werde, berichtet das Nachrichtenmagazin in seiner am Montag erscheinenden Ausgabe.

Ein Schlaglicht wird aber auch auf sehr schwierige politische Prozesse, etwa im Iran geworfen. So drängten Israel genauso wie arabische Verbündete die USA zu einem Militärschlag gegen den Iran. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak habe im Juni 2009 geäußert, es gebe ein „Zeitfenster von sechs bis 18 Monaten“, in dem ein militärisches Eingreifen zur Zerstörung der Nuklearanlagen im Iran günstig sei, enthüllte der „Guardian“. US-Quellen bezeichnete das Drängen der Israelis auf eine militärische Lösung als „größer denn je“.

Nach Ablauf dieser Zeit wäre ein Militärschlag mit nicht mehr akzeptablen Kollateralschäden verbunden. Der saudische König Abdullah habe mit Blick auf Iran von den USA verlangt, „der Schlange den Kopf“ abzuschlagen“. Auch Staaten wie Bahrain und Ägypten hätten ähnliche Einschätzungen zur Iran-Politik geäußert. Eine dokumentierte Aufzeichnung von US-Verteidigungsminister Robert Gates gibt ihn mit den Worten wieder, wenn nicht bald eine diplomatische Lösung im Iran erreicht sei, werde es zur Verbreitung von Atomwaffen oder zu einem israelischen Militärschlag kommen – oder beides.

Der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan wird den Angaben zufolge höchst skeptisch bewertet, weil er sein Land in eine islamistische Zukunft führe. Ägyptens Präsident Husni Mubarak habe den unter George W. Bush begonnenen Irak-Krieg für gefährlichen Unsinn und den damalige US-Präsidenten für unbelehrbar gehalten. Saudi-Arabien – eigentlich enger US-Verbündeter – wird laut „New York Times“ als einer der Hauptfinanziers militanter islamistischer Gruppen wie Al-Kaida genannt. Das kleine Golfemirat Katar, wo viele US-Truppen stationiert sind, sei aus Sicht von US-Diplomaten im Kampf gegen den Terror „in der Region am schlimmsten“.

„Fast ein Jahrzehnt nach den Angriffen vom 11. September 2001 dominiert der dunkle Schatten des Terrorismus noch immer die Beziehungen der USA zur Welt“, schreibt die „New York Times“. So zeigten die Depeschen, wie sich die Regierung von Präsident Barack Obama beispielsweise damit herumschlage, vertrauensvolle Partner in Pakistan im Kampf gegen Al-Kaida zu finden.

Aus dem US-Außenministerium seien zudem Informationen angefordert worden, ob der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi tatsächlich Privatgeschäfte mit Russlands Premierminister Wladimir Putin getätigt habe. Zu Berlusconi hätten die US-Diplomaten geschrieben, er „erscheint zunehmend das Sprachrohr Putins“ in Europa. Der russische Premier werde als „Alpha-Rüde“ bezeichnet, Präsident Dmitri Medwedew als „blass“ und „zögerlich“.

Die Dokumente zeichneten auch das gewachsene Selbstbewusstsein Pekings nach. China stelle sich nach außen mit „Muskelspielen, Triumphalismus und Anmaßung“ dar, urteilten amerikanische Diplomaten demnach. Der Hackerangriff gegen die Suchmaschine Google sei gemeinsam von Mitarbeitern der Regierung, privaten Sicherheitsexperten und „Internet-Banditen“ veranstaltet worden, die von der Regierung in Peking angeheuert worden seien.

In den Akten finde sich aber auch viel Klatsch und Berichte vom Hörensagen. Über den libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi heiße es da, er reise praktisch nicht mehr ohne die Begleitung einer vollbusigen ukrainischen Krankenschwester. Medwedews Ehefrau Swetlana soll derweil „schwarze Listen“ über Amtsträger angelegt haben, weil sie ihrem Mann gegenüber nicht hinreichend loyal seien.

Laut „Spiegel“ stammen 90 Prozent der Dokumente aus der Zeit seit 2005. Nur sechs Prozent seien als „geheim“ eingestuft, 40 Prozent als „vertraulich“. Das meiste Material stamme aus der Botschaft in Ankara, gefolgt von der US-Vertretung in Bagdad.

Nach den Worten des Chefredakteurs der spanischen Zeitung „El Pais“, Javier Moreno, kam das Blatt mit den anderen Medien überein, die Sicherheit der Quellen in jedem Fall zu schützen. Daher würden einzelne Passagen nicht veröffentlicht. Laut „New York Times“ enthalten viel der Depeschen vertrauliche Quellen, von ausländischen Parlamentariern und Offizieren über Menschenrechtsaktivisten bis hin zu Journalisten. Ihre Namen würden nicht preisgegeben.

Das US-Außenministerium hatte am Samstag mit einem Brief an Wikileaks-Gründer Julian Assange die erwartete Massen- Veröffentlichung zu verhindern versucht. Die geplante Offenlegung der vertraulichen und zum Teil als geheim eingestuften Berichte amerikanischer Botschaften „gefährdet das Leben zahlloser Personen“, heißt es in einem Schreiben von Rechtsberaters Harold Hongju Koh.

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