Glenn Beck wittert den amerikanischen Untergang
Von Hannes Stein
11.12.2010.
Der Rechtskonservative ist Rupert Murdochs neuer Medienstar – und glaubt, dass eine jüdische Verschwörung die Revolution in den USA plant.
Glenn Wer-Bitte? So hätten die Amerikaner vor ein paar Jahren reagiert, wenn man ihnen den Namen jenes Fernsehmoderators genannt hätte, den die Linken unter ihnen mittlerweile fürchten wie den Gottseibeiuns. Glenn Beck war vor nicht so langer Zeit nur einer unter vielen Konservativen, die man im Radio hören konnte.
Aber Kollegen wie Rush Limbaugh, Sean Hannity oder Bill O´Reilly waren berühmter und wirkten selbstsicher; Beck nahm sich ein bisschen wie der schüchterne kleine Bruder aus, den man nicht ernst zu nehmen braucht.
Das änderte sich, als ihm CNN vor vier Jahren Zeit für eine eigene Sendung frei räumte. Danach wechselte er zum rechten Sender Fox News, und heute kennt eigentlich jeder sein jungenhaftes Gesicht: Babyspeck, lebendige Augen, die manchmal hinter Brillengläsern verborgen sind, weiße Igelfrisur.
Beck hatte von Anfang an ein besonderes Markenzeichen: Er weinte. In vielen Sendungen kam der Moment, wo er ein tiefes Schluchzen unterdrücken musste. Während seine konservativen Kollegen ihre Wut über den Äther hinausbrüllten, dass das Weiße Haus von einem in der Wolle gefärbten Sozialisten mit dem Mittelnahmen „Hussein“ besetzt sei, griff der 46-jährige Glenn Beck zum Taschentuch.
Kein Tag vergangen, an dem er nicht high war
Er war nicht immer ein Konservativer, nicht immer ein berühmter Mann, nicht immer steinreich. Beck wuchs als katholisches Arme-Leute-Kind im Bundesstaat Washington auf. Seine Mutter ertrank bei einem Bootsausflug zusammen mit einem Liebhaber, ein Tod, den Beck als Selbstmord interpretierte.
Er sagt selber, seit seinem 16. Geburtstag sei eigentlich kein Tag vergangen, an dem er nicht high gewesen sei, außerdem soff er wie ein Loch. Mitte der Neunzigerjahre war der tiefste Punkt erreicht: Beck war frisch geschieden, hatte zwei kleine Töchter und spielte mit dem Gedanken, sich zu den dröhnenden Rhythmen von Kurt Cobain eine Kugel in en Kopf zu jagen.
Er schloss sich dann aber lieber einer Gruppe der „Anonymen Alkoholiker“ an. Bis heute sind seine Auftritte von den Sitzungen jener Selbsthilfegruppe geprägt: Sie stellen sozusagen die Fortsetzung der Therapie mit anderen Mitteln dar.
Kurz nachdem er sich vom Alkohol und den Drogen losgerissen hatte, lernte Glenn Beck seine zweite Frau kennen. Mit ihr zusammen fand er zurück zum Glauben: Er schloss sich den Mormonen an, der einzigen Weltreligion, die nicht in die Neue Welt exportiert wurde, sondern ein uramerikanisches Gewächs ist.
Völliger Mangel an Angeberei
Wer verstehen will, warum er bei den sogenannten einfachen Leuten ankommt, muss ihn wohl live erlebt haben. Vor kurzem trat Glenn Beck in einem Theater in Pittsburgh vor tausenden Zuschauern auf; der Auftritt wurde gleichzeitig in Kinosälen in allen größeren amerikanischen Städten übertragen.
Die Magie von Glenn Beck besteht vor allem im völligen Mangel an Angeberei. Er tritt in Jeans auf, das Hemd hängt ihm über die Hose, er gibt nicht vor, besser zu sein als die anderen. Glenn Beck ist also richtig nett. Er wirkt auch – jedenfalls zu Anfang – nicht besonders demagogisch. Eigentlich sagt er sogar lauter vernünftige Sachen.
.Auf Tafeln demonstriert er mit Zahlen: Griechenland, das der EU so viel Kopfschmerzen verursacht, ist für Europa nicht so wichtig wie Kalifornien für die USA. Und Kalifornien, bitte, ist notorisch pleite. „Sagt nicht, dass es hier nicht geschehen könnte!“, ruft Beck aus. „Es könnte sehr wohl geschehen.“
Die Staatsverschuldung werde schnurstracks in eine Hyperinflation führen. „Das ist schon einmal passiert – in Deutschland in den Zwanzigerjahren.“ Beinahe unmerklich sind wir aus dem Fach „Wirtschaftswissenschaften“ in die Sparte „apokalyptische Verkündigung“ hinübergerutscht. „Jene Generation, die die Freiheit verliert, wird sie nicht mehr schmecken“, sagt Glenn Beck mit Bibber in der Stimme. „Aber unsere Kinder sollen sie wieder erringen.“
Verfassung auswenig lernen
Das Ende ist nahe: Die Zuschauer sollen sich mit Nahrungsmitteln für ein Jahr und mit Kleidung eindecken. Und sie sollen sich bilden, sollen die Verfassung am besten auswendig lernen, damit sie diesen Schatz an die nächste Generation weiterreichen können. Jeder sei für sich selbst verantwortlich.
Europa befinde sich in offener Auflösung. Schon bald werde auch in Amerika der marxistische Mob auf der Straße toben, und dann würden totalitäre Menschheitsretter aus dem Schatten treten, die Amerika zurück in die europäische Knechtschaft führen.
Es ist schwer, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, aber es gibt Leute, die Amerika von innen heraus zerstören wollen.“ Glenn Beck wirkt überhaupt nicht fanatisch, wenn er das sagt; nur tief, tief besorgt. Und damit wären wir zu guter Letzt beim Genre „Verschwörungstheorien“ angelangt.
Keine apokalyptische Verschwörungstheorie ohne Antichrist. Und der Antichrist ist – das war schon immer so – ein Jude. Glenn Beck hat jetzt in drei aufeinanderfolgenden Sendungen den jüdischen Multimilliardär George Soros rüde attackiert. Er warf ihm vor, er habe als Teenager im Holocaust andere Juden an die Nazis verraten und sei ein heimlicher Kommunist.
Klassische antisemitische Hetze
„Soros hat geholfen, die samtene Revolution in der tschechischen Republik, die orange Revolution in der Ukraine, die Rosenrevolution in Georgien zu finanzieren“, so Glenn Beck zur besten Sendezeit im amerikanischen Fernsehen. „Er hat auch geholfen, Umstürze in der Slowakei, in Kroatien und in Jugoslawien zu bewerkstelligen. Was ist sein nächstes Ziel? Wir. Amerika.“
Glenn Beck weiß offenbar nicht – oder er will gar nicht wissen –, dass sich die samtene Revolution in der Tschechoslowakei gerade gegen den Kommunismus richtete und dass es keinen Umsturzversuch in Jugoslawien gab, den man hätte finanzieren müssen. Seine Anschuldigungen sind klassische antisemitische Hetze: der Jude als Drahtzieher, der die Puppen tanzen lässt; der „Weise von Zion“ als finsterer Verschwörer, der Chaos sät, um die Weltherrschaft zu ernten.
.Ist Glenn Beck damit typisch, repräsentiert er eine breite Bewegung? Es gibt zum Glück genug amerikanische Konservative, die, wenn sie seinen Namen hören, die Hände über dem Kopf zusammenschlagen oder sich über seine Halbbildung (die eher eine Viertelbildung ist) lustig machen.
Solche Distanzierungen können indessen nicht darüber hinwegtäuschen: Beck ist einer der Helden des „Tea Party Movement“, des anarchistisch-populistischen Volksaufstandes gegen die Regierung Obama. Hinter ihm steht nach wie vor die geballte Macht von Fox News, und das heißt: die Macht des Medienzaren Rupert Murdoch.
Am meisten verstört an diesem Demagogen vielleicht, dass er nicht nur für das Schlimmste, sondern auch für das Beste steht, das seine Nation zu bieten hat. Glenn Beck verkörpert nicht nur den schäumenden Irrsinn, er hält auch die amerikanische Unabhängigkeitserklärung hoch: „Leben, Freiheit und das Streben nach Glück“.
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