Wie weit ist der Weg von der Sprache zur Tat?
Von Caroline Fetscher
10.01.2011
In den USA macht man sich jetzt Gedanken darüber, ob die aggressive Rhetorik Konservativer im Wahlkampf in Arizona zum Attentat auf die Politikerin Gabrielle Giffords geführt hat. Über Gift in der Sprache – und wie es definiert wird.
Auch in Deutschland fragen sich einige, ob die Anschläge auf Berliner Moscheen in einem Zusammenhang mit verbalen Diskriminierungen von Muslimen zu lesen sind. So spekulativ die Vermutungen bleiben, im Kern enthalten sie zwei komplett korrekte Erkenntnisse: Gewalt entsteht selten ohne sprachliche Aufhetzung. Und: Sprachliche Äußerungen selbst können den Charakter von Gewalttaten haben. Jeder der aktuellen Brandanschläge sei ein Angriff auf die Grundwerte unserer Demokratie, warnt unter anderem Deidre Berger, Berliner Direktorin des American Jewish Committee. Man dürfe nicht zulassen, erklärt sie, „dass die wichtige öffentliche Debatte über Integration und Zuwanderung weiter vergiftet wird“.
Gift in der Sprache – wie wird das definiert? Wie erkannt, wie geahndet? Als Hatespeech, also als Sprache des Hasses, bezeichnet man in Amerika aufwiegelnde Sprechakte, die andere zu Hatecrimes, von Hass motivierten Straftaten, anstacheln. Meistens geht es dabei um ganze Gruppen, die sexistisch, religiös oder rassistisch markiert werden, etwa Schwule, Juden, Schwarze. Es können aber auch andere Gruppen sprachlich eingekesselt werden, man erinnert sich an die Motorradhippies in dem Film „Easy Rider“, an von McCarthy verfolgte Kommunisten oder Attentate auf Befürworter von Abtreibung. Hatespeech gilt in Amerika, anders als bei uns, als Straftatbestand.
Dass kollektive Gewalt, die zu Kriegen und Bürgerkriegen führen kann, mit Sprechakten vorbereitet wird, weiß allerdings auch in Europa jeder, der sich mit der Geschichte beschäftigt. Und noch aus jüngster Zeit können wir das wissen. Ab Mai 1991 appellierte der jugoslawische Publizist Mirko Klarin an Europas Öffentlichkeit. Er verlangte ein internationales Tribunal, das einen drohenden Krieg in seinem Staat abwenden sollte. Sein Argument lautete: Die Sprache in den regionalen Medien lädt sich zunehmend auf mit ethnischem und religiösem Hass. Sie stelle „ein Verbrechen gegen den Frieden“ dar.
Keiner hörte damals auf Klarin. Erst als der Krieg, die Taten dann da waren, wurde ein Tribunal einberufen. Die UN erkennen dies offiziell als Verdienst des wachen Mahners an. Genugtuung verschaffte ihm das nicht. Gern wird heute bei uns auf Meinungsfreiheit gepocht, gegen sogenannte „political correctness“ gewettert, wo es darum geht, den erlaubten Spielraum der Sprache auszureizen: „Man wird doch wohl noch sagen dürfen …“ Diese nicht erst seit Möllemann oder Sarrazin bekannte, einerseits bagatellisierende und auf der anderen Seite Empörung vortäuschende Stammtischvolte dient gern der Tarnung gefährlicher Absichten.
Sicher wird es nun auch keinen Bürgerkrieg geben. Weder in den USA zwischen der radikalkonservativen Tea Party und den Anhängern der Liberalen noch in Deutschland zwischen Mob und Muslimen. Dafür sind die demokratischen Institutionen im breiten Bewusstsein zu gefestigt. Für eine konsequentere Sensibilisierung im Umgang mit Sprache ist es allerdings an der Zeit. Es reicht zum Beispiel nicht aus, an Schulen das Verwenden von „Ausdrücken“ zu verbieten. Erhellt werden muss schon dort der Kontext von Gewalt und Sprache.
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