The Deceptive Harmony between Obama and Hu

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Die trügerische Harmonie zwischen Obama und Hu

von Frank Sieren

21.01.2011

Der Staatsbesuch von Chinas Präsident Hu in den USA war eine Begegnung zwischen Aufsteiger und angeschlagener Weltmacht.<

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Selten hat es in Friedenszeiten in einem so kurzen Zeitraum eine so dramatische Machtverschiebung zwischen zwei Großmächten gegeben wie zwischen China und den USA. Noch seltener ist, dass Sieger und Verlierer trotzdem nicht feststehen.

Deshalb waren Staats- und Parteichef Hu Jintao und US-Präsident Barack Obama sehr vorsichtig bei ihrem Treffen, das heute zu Ende geht. Gerade weil keiner der beiden aufzutrumpfen versuchte, war Hu Jintaos Amerika-Reise der wichtigste Besuch zwischen den beiden Großmächten, seit Deng Xiaoping 1979 als erster chinesischer Spitzenpolitiker die USA besuchte.

Die Weltmacht USA spricht nun von einer Win-win-Beziehung, ein Slogan, mit dem sich Peking noch vor einigen Jahren auf die Zehenspitzen stellte, um mit Washington auf Augenhöhe zu kommen. Nun wählen die Amerikaner dieses Stichwort, um zu verschleiern, dass sie inzwischen weiche Knie bekommen haben: Im August 2008 gaben die Chinesen den entscheidenden Impuls für den Beginn der Weltfinanzkrise, als sie sich öffentlich weigerten, den völlig überschuldeten, halbstaatlichen Immobilienfinanzierern Fanny Mae und Freddy Mac weiterhin Geld zu geben. Damit führten sie der Welt vor, was vorher nur Insider wussten: China ist die Bank of America.

Peking hat dann, selbst sehr erschrocken über das Ausmaß des Zusammenbruchs, den globalen Absturz mit einer schnellen und umsichtigen Konjunkturpolitik abgefedert und mit einem Wachstumsboom die westliche Exportindustrie in Euphorie versetzt. Bei G20-Gipfeln, den IWF-Sitzungen und Weltklimakonferenzen sind die Chinesen infolgedessen von Beisitzern zu Wortführern geworden. Und sie genießen im Uno-Sicherheitsrat inzwischen das Wohlwollen eines Großteils der aufstrebenden Entwicklungsländer – sei es aus Bewunderung oder nur aus Wirtschaftsopportunismus.

Die chinesische Führung ist außerdem dabei, ihre Armee so zu modernisieren, dass sie den Aktionsradius der Amerikaner empfindlich einschränken kann. Nun ironischerweise auch mit Hilfe von amerikanischer Flugzeugtechnik, die zwar für die zivile Luftfahrt gedacht ist, aber natürlich auch militärisch genutzt werden kann. Chinesen und Amerikaner haben anlässlich dieses Besuchs eine entsprechende Vereinbarung im Wert von mehreren Hundert Millionen US-Dollar unterzeichnet.

So weit ist es schon: Obama muss neue Arbeitsplätze gegen mittelfristige militärische Sicherheit eintauschen. Denn die USA leiden immer offensichtlicher unter ihren Schwächen. Während die Unternehmen vor Geld und Kreativität nur so sprühen, verschuldet sich der Staat immer tiefer. Die Arbeitslosigkeit bleibt erschreckend hoch. Die Weltwährung US-Dollar ist ein Wackelkandidat geworden.

Niemand in der amerikanischen Regierung hat in den letzten Jahren die Machtverschiebung härter zu spüren bekommen als Finanzminister Timothy Geithner. Seitdem er im Amt ist, versucht er, Peking mit der Brechstange dazu zu bewegen, den Yuan aufzuwerten. Magere 3,6 Prozent sind ihm die Chinesen bisher entgegengekommen. Die Amerikaner sind auf bestem Wege, dem British Empire nun als großer Absteiger zu folgen. Damals wie heute konnten sich die Verlierer lange nicht eingestehen, dass ihre Rolle endlich ist.

Die Stabilität und Harmonie, die uns die beiden mächtigsten Männer der Welt vorspielen wollen, ist also trügerisch. Immer wieder betonten sie, wie wichtig es für die Welt ist, gut zusammenzuarbeiten. Das verrät viel über die Befürchtungen hinter den Kulissen der Macht. Denn der Übergang von einer alten zu einer neuen Weltmacht ist in der Geschichte nur selten krisenfrei verlaufen. So selten, dass man sich trotz der engen wirtschaftlichen Verflechtung heute nicht darauf verlassen sollte.

Vor allem die Absteiger neigen dazu, in solchen Umbrüchen unberechenbar zu werden. Sie haben viel zu verlieren, müssen deshalb mehr riskieren und machen dann Fehler, die ihre Lage noch verschlimmern. Immer mehr Geld zu drucken könnte sich etwa als ein Fehler herausstellen, der am Ende den Machtverfall der USA beschleunigt.

Der Weltmachtkampf ist allerdings noch längst nicht entschieden. Die Antworten auf die großen Fragen dieser epochalen Machtverschiebung zeichnen sich noch nicht annähernd ab. China muss sich damit beschäftigen, wie nachhaltig ein Wohlstand mit eingeschränkter Mitbestimmung sein kann. Und für die Amerikaner steht zur Debatte, wie stabil eine Demokratie ist, der das Geld ausgeht. Es ist zu befürchten, dass sich die amerikanischen Absteiger mit ihrer Frage früher beschäftigen müssen. Die chinesischen Aufsteiger können ihre Widersprüche im Rausch des Wirtschaftsbooms noch ein wenig länger verdecken. Aber auch das sagt noch nichts darüber aus, wer am Ende besser dasteht.

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