Where Bush Got It Right

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Wo Bush recht hatte

KOMMENTAR VON DENIZ YÜCEL

11.02.2011

Die Sache schien längst ausgemacht: George W. Bush und die Seinigen sind im Nahen Osten kolossal gescheitert: Die Verbreitung der Menschenrechte? Misshandelt in Abu Ghraib. Die Demokratisierung der Region? Begraben unter einem Berg von Wikileaks-Dokumenten. Das Urteil der Geschichte? Vollstreckt mit einem Schuh.

Nach den revolutionären Erhebungen in Tunesien und in Ägypten aber stellt sich die Frage erneut: Lagen die Bush-Regierung und ihre neokonservativen Souffleure – ungeachtet etwaiger sonstiger Motive – richtig, als sie einen regime change propagierten? Dürfen sie sich nun in ihrer Überzeugung bestätigt fühlen, dass die meisten Menschen auch im Nahen Osten nichts anderes wollen als ein besseres und freieres Leben? Erscheint ihre Zuversicht, ein Regimewechsel in einem arabischen Land würde auf die Region ausstrahlen, nicht plötzlich plausibel?

Und sind die atemberaubenden Entwicklungen umgekehrt keine Ohrfeige für alle, die aus Eigennutz, Einfältigkeit oder Feigheit jede Arschkriecherei zum “kritischen Dialog” verklärten? Strafen sie nicht diejenigen Lügen, die mit der Ablehnung ihres bewaffneten Exports auch bezweifelten, ob Demokratie im Nahen Osten machbar und erwünscht wäre?

Einen Peter Scholl-Latour etwa, der nimmermüde behauptete, dass “andere Kulturen und Kulturvölker auch in anderen politischen Strukturen leben wollen”, was nur heißen konnte: “Der Araber” (“der Muslim”) will gar nicht anders leben als unterjocht von selbstgefälligen Potentaten, bevormundet von einer archaischen Moral und, sofern nicht aus Ölmonarchien stammend, verdonnert zu Kichererbsen und Fladenbrot.

Der Idealismus der Neocons

Das Programm der Neokonservativen war ein anderes. Ein Jahrzehnt nach dem vermeintlichen “Ende der Geschichte” war es ausgerechnet ein frömmelnder US-Präsident, der daran erinnerte, dass Befreiung möglich ist, man sich im Kampf gegen mörderische Diktaturen aber nicht auf Sitzblockaden verlassen kann. An die Adresse autoritärer Regime in aller Welt formulierte er: “Alle, die in Tyrannei und Hoffnungslosigkeit leben, sollen wissen: Die Vereinigten Staaten werden eure Unterdrückung oder die Ausflüchte eurer Unterdrücker nicht hinnehmen.”

Doch gerechtfertigt wurde der Irakkrieg nicht allein mit derlei revolutionärem bürgerlichem Idealismus, sondern auch mit Argumenten, die sich als kontraproduktiv erweisen sollten: dem Wort vom “Kreuzzug”, das Bush ein fatales Mal benutzte; dem Verweis auf Massenvernichtungswaffen, die es nicht gab; der Behauptung, der Irak sei das Al-Qaida-Territorium, zu dem ihn erst die US-Armee unfreiwillig machte.

Hinzu kamen die vielen haarsträubenden Fehler, die Amerikaner und Briten nach dem Sturz des Regimes begingen, die dem ohnehin schwierigen Unterfangen, Befreiung von außen zu erzwingen, den Rest gaben und deren Folgen der Irak erst allmählich überwindet.

Rice’ rotznäsige Rede in Kairo

Dennoch: Wer sich heute über die Unterstützung des Westens für einen Mubarak oder einen Ben Ali – die neben Saddam Hussein trotz allem wie Klosterschüler anmuten – empört, sei daran erinnert, dass es die damalige US-Außenministerin Condoleezza Rice war, die die schärfste Kritik formulierte, die sich Mubarak jemals in aller Öffentlichkeit anhören musste.

Im Juni 2005 sprach sie an der Amerikanischen Universität in Kairo – dort, wo Barack Obama vier Jahre später seine wohltemperierte Rede halten sollte – in fast rotznäsiger Weise von willkürlichen Verhaftungen und niedergeprügelten Demonstranten, um selbstkritisch hinzuzufügen: “60 Jahre lang haben die Vereinigten Staaten in dieser Region Stabilität auf Kosten der Demokratie verfolgt – und weder das eine noch das andere erreicht. Jetzt schlagen wir einen anderen Kurs ein. Wir unterstützen die demokratischen Bestrebungen aller Völker.”

Blöd war nur: Rice sprach zu einem Verbündeten. Noch blöder war: Auf diese Worte folgten keine entsprechenden Taten. Stattdessen setzten die USA ihre Kumpanei mit den Machthabern in Ägypten, Pakistan oder Saudi-Arabien fort und verfestigten diese unter dem Eindruck des Irakkriegs noch. Das aber erschütterte, was für eine an moralischen Prinzipien orientierte Politik unverzichtbar gewesen wäre: ihre Glaubwürdigkeit.

Zu den Folgen zählte, dass man den zivilen, demokratischen Bewegungen in der Region keine nennenswerte Unterstützung zuteil werden ließ. Selbst das einzige arabische Land, das in diesem Jahrzehnt einen demokratischen Aufbruch erlebt hatte, der Libanon, wurde im Stich gelassen – beim Krieg Israels gegen die Hisbollah, erst recht beim Wiederaufbau, den stattdessen Syrien und der Iran übernahmen.

Das Scheitern der Bush-Doktrin

Ihre finale Niederlage aber erfuhr die Bush-Regierung andernorts: in Palästina. Aber nicht weil sie mit dem Konsens brach, dass ohne eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts kein Fortschritt zu haben sei, sondern als sie sich weigerte, den Sieg der Hamas bei der Wahl vom Januar 2006 anzuerkennen. Nun gab es gute Gründe, zu zweifeln, ob sich die Hamas im Innern Demokratie und Menschenrechten und nach außen einer Politik des Ausgleichs verpflichtet fühlen würde. Aber sie bekam nicht einmal die Chance dazu.

Von Marokko bis Pakistan musste man daraus schlussfolgern: Eine Wahl ist nur dann demokratisch, wenn das Resultat den Amerikanern gefällt. Im Januar 2007 reiste Rice abermals an den Nil, wo sie die “strategische Partnerschaft mit Ägypten” lobte – ein Eingeständnis des Scheiterns und auch rhetorisch eine Rückkehr zur altbekannten Politik.

Womöglich ist es eine List der Geschichte, dass die Erhebungen, die sich die Neocons erträumt hatten, bislang nur in den von der westlichen Welt protegierten Ländern die Machtfrage stellen konnten. Das macht George W. Bush nicht, wie dessen früherer Nahostberater Elliott Abrams kürzlich triumphierte, zum Spiritus Rector der Aufständischen.

Für den Moment könnte man sagen: So, wie sie die Rhetorik der Bush-Regierung bestätigen, falsifizieren sie deren reale Politik. Aber die Entwicklungen zeigen: Für ein abschließendes und restlos vernichtendes Urteil über die Nahostpolitik der Bush-Regierung war es zu früh.

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