Heir to the Freedom Agenda

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Der Erbe der Freiheitsagenda

von Sabine Muscat

16.02.2011

In Nordafrika hat Barack Obama die Chance, die amerikanische Demokratievision mit Leben zu füllen.

Moden kommen und gehen, doch Klassiker kehren irgendwann zurück. Die Demokratieförderung war in den USA zu einem unanständigen Wort verkommen, nun erlebt sie eine Renaissance. Im Nahen Osten wanken die Diktatoren, und die Demonstranten in den Straßen von Algier bis Sanaa zwingen die US-Regierung, zwischen ihren strategischen Verbündeten und den bürgerlichen Freiheiten zu wählen, auf denen das amerikanische Selbstverständnis beruht. Im Fall des ägyptischen Diktators Hosni Mubarak hat Präsident Barack Obama diese Entscheidung getroffen – zugunsten der Freiheit. Von diesem Weg kann er nicht mehr abweichen, wenn er glaubwürdig bleiben will.

Die Proteste in Nordafrika enden …

Damit fällt Obama eine Rolle zu, für die er sich nicht beworben hatte. Nach seinem Amtsantritt war er bewusst auf Distanz gegangen zur Arroganz seines Vorgängers George W. Bush, der die Demokratie beim Einmarsch im Irak mit militärischer Gewalt durchsetzte und dabei das Ansehen der USA auf der arabischen Halbinsel demolierte. Obama verordnete sich Zurückhaltung und verbannte das Wort Regimewechsel aus dem Kanon der US-Diplomatie. Dabei verirrte er sich zu weit in die andere Richtung: Als Demonstranten im Iran 2009 gegen das manipulierte Ergebnis ihrer Präsidentenwahl demonstrierten, zögerte Obama, die “grüne Revolution” zu unterstützen und betonte stattdessen, dass sein Angebot zu Verhandlungen mit dem Mullah-Regime über dessen Atomprogramm noch stehe.

Die friedlichen Revolutionen in Tunesien und Ägypten und die Proteste, die im Rest der Region ausgebrochen sind, haben die US-Regierung aus den Zuschauerrängen in die Manege getrieben. Die USA mögen auf der arabischen Straße nicht beliebt sein, sie haben aber jetzt die Chance, ihr Ansehen zu verbessern, indem sie den verbündeten Diktatoren klare Bedingungen stellen: Entweder sie erhören die Wünsche ihrer Bevölkerungen und leiten die nötigen Reformen ein oder sie müssen künftig auf Washingtons Hilfe verzichten.

Die Genugtuung, mit der neokonservative Bush-Getreue die Entwicklung begleiten, ist unangebracht. Bush habe am Ende recht behalten, frohlockte sein ehemaliger Berater Elliot Abrams und zitierte aus einer Rede, die Bush 2003 an die Adresse der arabischen Welt gehalten hatte. “Auf lange Sicht kann die Stabilität nicht auf Kosten der Freiheit erkauft werden”, hieß es darin. Aber auch die Bush-Regierung drehte den Geldhahn nicht ab, aus dem die Militärhilfe für Mubarak und andere Regime sprudelte, auf die sich die US-Regierung zur Deckung ihrer Öleinfuhren und im Kampf gegen den Terrorismus stützte. Diese Doppelmoral ließ die Bekenntnisse zur Demokratie verpuffen.

Teil 2: Welche Länder zum Testfall für die US-Diplomatie werden

Obamas Schlussfolgerung, dass die USA im Korsett ihrer strategischen Interessen nicht als ehrlicher Makler posieren konnten, war berechtigt. Die Diskussion im republikanischen Lager zeigt dagegen, wie schwer sich die konservativen Freiheitskämpfer mit der Abwägung von Demokratie und strategischen Interessen tun. Während die Obama-Regierung anerkennt, dass in Ägypten auch die islamischen Muslimbrüder als Teil der Opposition mit am Tisch sitzen werden, haben etliche prominente Republikaner gefordert, dass eine Machtbeteiligung der Islamisten unter allen Umständen vermieden werden müsse. Die Botschaft: Wir unterstützen die Demokratie, aber nur, wenn die Akteure das Gütesiegel Washingtons tragen. Nach dem Sieg der Hamas in Palästina ist die Furcht vor einer Radikalisierung verständlich. Aber es ist die Art von Botschaft, mit der sich die USA in der Region so viele Feinde gemacht haben.

Auch der Vergleich mit der konservativen Ikone Ronald Reagan, unter dessen Regierungszeit der Kalte Krieg zu Ende ging, ist verfehlt. “Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!”, lässt sich leichter rufen, wenn hinter dieser Mauer der Erzfeind steht – und nicht ein langjähriger Verbündeter wie im Fall von Mubaraks Ägypten. So ging die Obama-Regierung in diesen Tagen kein großes Risiko dabei ein, ihren Fehler im Umgang mit Teheran zu korrigieren und dort das Recht auf freie Proteste zu fordern, nachdem Obamas ausgestreckte Hand im Nuklearkonflikt kein Ergebnis gebracht hat. Der Testfall für die US-Diplomatie werden Länder wie Jordanien sein. Dort ist das Regime in Bedrängnis, aber nicht akut gefährdet, und bisher spielen die USA die Rolle eines strengen, aber gütigen Mentors.

Es wird nun darauf ankommen, zum richtigen Zeitpunkt einzugreifen und die Demokratieprozesse zu begleiten, ohne den Eindruck zu erwecken, Amerika wolle die Bedingungen diktieren. Bushs Kreuzzug für die Freiheit hat die Demokratiebewegung in der Region zurückgeworfen statt nach vorne gebracht.

Obama muss dagegen aufpassen, dass er nicht von den Ereignissen überrollt wird. In Ägypten hat seine Regierung trotz aller Kommunikationspannen am Ende die Kurve bekommen. Sie ließ die Demonstrationen ihre eigene Dynamik entfalten, und Mubarak suchte vergeblich nach einer ausländischen Verschwörung gegen ihn. Die Rolle der Obama-Regierung bestand darin, dem sturen Herrscher am Ende zu erklären, dass sie nichts mehr für ihn tun könne, wenn das eigene Volk ihn nicht will.

Obama wird so zum Agenten der Freiheitsagenda, die Bush verbal vorgegeben, aber nie umgesetzt hat. Und so ist es kein Wunder, dass in den Kommentaren der Neokonservativen in diesen Tagen auch Neid durchklingt – der Neid auf Obama, der diese historische Chance hat.

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