America’s Distaste for Another Land War

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Amerikas Unlust auf einen weiteren Landkrieg

BURKHARD BISCHOF (Die Presse)

04.03.2011

US-Verteidigungsminister Gates rät dringend von einem weiteren Militäreinsatz à la Irak und Afghanistan ab. Auch, weil es sich die USA nicht mehr leisten könnten. Das amerikanische Militär ist gestresst und müde.

Robert Gates war nie, was die Amerikaner als „unguided missile“ bezeichnen – einer, der unbesonnen, unberechenbar, halsbrecherisch sein Wesen treibt. Der Intellektuelle, der mehr als ein Vierteljahrhundert im US-Auslandsgeheimdienst CIA diente, zwei Jahre lang auch der Chef der amerikanischen Spione war, ist von Natur aus bedächtig. Barack Obama ist der achte Präsident, dem er dient – und Gates ist der erste Verteidigungsminister in der US-Geschichte, der einen Wechsel im Weißen Haus, noch dazu von einem Republikaner zu einem Demokraten, als Pentagon-Chef überlebt hat.

Und jetzt sagt Gates einen Satz wie diesen: „Meiner Meinung nach sollte jeder künftige Verteidigungsminister, der dem Präsident rät, erneut ein großes Landheer nach Asien, in den Nahen Osten oder nach Afrika zu entsenden, ,auf seinen Geisteszustand untersucht werden‘, wie das General MacArthur so feinfühlig ausgedrückt hat.“ Er sagte dies Ende vergangener Woche in der Militärakademie in West Point, in der jungen amerikanischen Männern das Kriegshandwerk beigebracht wird.

Es war dies vermutlich eine der wichtigsten Reden in der langen Laufbahn des Robert Gates, der in diesem Jahr noch den Posten des Pentagon-Chefs aufgeben will. Angesichts des in diesen Tagen lauter werdenden Rufs gerade auch an die Amerikaner, militärisch in Libyen zu intervenieren, um das dortige blutrünstige Regime zu vertreiben, ist diese Rede etwas untergegangen.

Gates ist keine „Taube“, war es nie. Aber seit der Übernahme des Amtes des Verteidigungsministers im Dezember 2006 hat er gesehen, welch ungeheure Lasten die Landkriege im Irak und in Afghanistan dem US-Militär, insbesondere aber der ganzen amerikanischen Gesellschaft aufbürden: politische, psychologische und finanzielle. Er kennt auch die Mechanismen der US-Rüstungsindustrie, die seit 2001 von diesen Kriegen enorm profitiert hat, weil ständig Nachschub und neue Waffen in die Kampfzonen geliefert werden müssen.

Nach fast zehn Jahren Krieg an zwei Schauplätzen des Nahen und Mittleren Ostens ist nicht nur der Großteil der amerikanischen Bevölkerung, sondern auch das amerikanische Militär gestresst und müde. Gates argumentiert deshalb schon seit einiger Zeit, dass sich die Dinge ändern müssen und dass in Zeiten eines geradezu albtraumhaften nationalen Budgetdefizits auch das Militär werde sparen müssen.

Nicht, dass sich die Sicherheitslage in der Welt zuletzt verbessert hätte, die globalen Herausforderungen für die Supermacht USA sind sogar komplexer und unkalkulierbarer geworden. Gates selbst zählte die Gefahren auf: „Neben Irak und Afghanistan, Terror und Terroristen, die Massenvernichtungswaffen in ihre Hände bringen wollen, Iran, Nordkorea, die militärischen Modernisierungsprogramme Russlands und Chinas, gescheiterte und scheiternde Staaten, die Revolutionen im Nahen Osten, Cyber-Kriegsführung, Piraterie und Naturkatastrophen aller Art.“

Aber noch nie, das schärfte Gates letzte Woche den Kadetten in West Point ein, hätten die USA richtig vorausgesehen, wo und wie sie ihren nächsten Krieg führten; das Land also, das nicht nur den stärksten Militär-, sondern auch den mit großen Abstand größten Geheimdienstapparat der Welt unterhält. Zwar sollen sich die US-Streitkräfte auf alle möglichen Entwicklungen vorbereiten, nur rechnet Gates nicht damit, dass die US-Armee so bald wieder in einem großen Land intervenieren werden, um es zu besetzen, zu befrieden und zu administrieren. Wahrscheinlich seien in Zukunft nur noch US-Militäreinsätze aus der Luft oder von der See – in Asien, am Persischen Golf oder wo immer.

Schon werfen US-Falken dem Minister vor, dass er durch diese Vorgaben „Schurkenstaaten“ nur ermutige, weil sie keine amerikanischen Bodenoffensiven mehr befürchten müssten. Aber vermutlich kennen sie die nackten Zahlen nicht – oder wollen sie nicht zur Kenntnis nehmen. Die besagen: Die USA können sich weitere Landkriege und die Überdehnung ihrer militärischen Kapazitäten schlicht nicht mehr leisten. Gates hat das geradezu demütig zur Kenntnis genommen. Und seine Kritiker werden es auch noch einsehen.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 04.03.2011)

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