America’s Weakness

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Amerikas Schwäche

Von Christoph von Marschal

15.04.2011

In wenigen Wochen erreichen die USA die gesetzliche Schuldenobergrenze und dürfen keine Kredite mehr aufnehmen. Das hieße Zahlungsunfähigkeit. Stürzt die Welt in eine neue Finanzkrise?

Macht Amerika sich nur zum Gespött der Welt oder kommt es schlimmer? Viele erkennen die Gefahr noch gar nicht, die der Weltwirtschaft droht. Andere sehen sie, hoffen aber, es werde schon gut gehen. In wenigen Wochen erreichen die USA die gesetzliche Schuldenobergrenze und dürfen keine Kredite mehr aufnehmen. Das hieße Zahlungsunfähigkeit. Ein Drittel der laufenden Ausgaben wird aus neuen Krediten bezahlt. Behörden müssten schließen. Die Inhaber amerikanischer Staatsanleihen – angeblich die sicherste Anlage – erhielten keine Zinsen mehr. Dann fällt der Dollar, crashen Banken und die Welt stürzt in eine Finanzkrise.

So weit muss es nicht kommen.

Es gibt eine simple Abhilfe: Der Kongress hebt die Schuldenobergrenze an. Das hat er stets getan. In westlichen Demokratien handeln Parlamente vernünftig, nicht wahr? Sie führen ihr Land doch nicht sehenden Auges in eine Katastrophe.

Vor einer Woche drohte die Schließung der Regierung – weil der Kongress ein halbes Jahr nach Beginn des Budgetjahres noch immer keinen Etat verabschiedet hatte. Im Streit, wie viel gespart wird und zu wessen Lasten, ließen es beide Lager darauf ankommen, um nicht nachgeben zu müssen. Diese Verhandlungstaktik heißt „Brinkmanship“. Man geht bewusst an den Rand der Klippe und sagt: Du bist schuld, wenn du nicht einlenkst und wir alle in den Abgrund stürzen. Das ist riskant. Wenn beide Seiten stur bleiben, tritt die Katastrophe ein.

Wie konnte es so weit kommen? Ein Großteil Amerikas flüchtet schon lange in Realitätsverweigerung. Viele Politiker bestärken die Bürger darin, indem sie unrealistische Auswege aus der Schuldenspirale vorgaukeln. Fast alle unabhängigen Experten sagen, die USA bekommen ihr Schuldenproblem nur mit einem Paket aus drei unpopulären Maßnahmen in den Griff: drastische Kürzungen in allen Bereichen, Steuererhöhung und eine Reform der Sozialsysteme wegen der Kosten durch die Alterung der Gesellschaft.

Rechte Republikaner behaupten, man müsse nur den Staat zusammenstreichen und die Steuern senken, dann wachse die Wirtschaft und stiegen die Staatseinnahmen. Das hat auch George W. Bush gesagt. Er ist der Hauptschuldige an der Verschuldung: Steuersenkungen, zwei teure Kriege und die teure Ausweitung des Gesundheitssystems für Senioren – alles ohne Gegenfinanzierung aus neuen Einnahmen. Die Konservativen tun so, als habe erst Obama die Schulden angehäuft, durch die Rettung von Banken und Autokonzernen sowie die Aufblähung des Staates. Ihr Budgetplan nimmt den Schwachen, schenkt den Reichen, rechnet mit Wachstumsraten aus dem Land der Träume und würde dennoch nicht einmal in der Theorie das Billionendefizit beseitigen, sondern es nur leicht reduzieren. Linke Demokraten möchten bei Ausgabenprogrammen und im Sozialsystem möglichst gar nichts ändern. Sie wollen die Steuern erhöhen und auf die Rettung durch den Aufschwung warten.

Obama weist einen Mittelweg. Gehen muss ihn der Kongress, der Präsident kann nur vermitteln. Es gäbe ja eine Mehrheit der Moderaten aus beiden Parteien. Noch zögern die Führer, sich gegen ihre radikalen Flügel zu stellen und die offene Spaltung zu riskieren. Es ist so viel einfacher, den Gegner zu verteufeln, in die Osterpause zu fliehen und danach weiter „Brinkmanship“ zu betreiben. Die Unversöhnlichkeit der Radikalen und die Verantwortungsscheu der Moderaten ist Amerikas große Schwäche. Sie kann die ganze Welt in den Abgrund stürzen.

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