Obama im Nahost-Konflikt
Neuer Anlauf des Friedenspredigers
Von Gregor Peter Schmitz, Washington
Im Nahost-Friedensprozess hat Barack Obama große Hoffnungen geweckt – Ergebnisse blieben aus. Nun will der US-Präsident einen neuen Versuch wagen und dafür den demokratischen Wandel in der Region nutzen. Kann er den Durchbruch schaffen?
Welch eine Woche für Barack Obama: Erst hat der US-Präsident durch eine Einigung mit den Republikanern in letzter Minute verhindert, dass seiner Regierung der Geldhahn zugedreht wird. Danach versprach der Demokrat, Amerikas Staatshaushalt mal eben um vier Billionen Dollar zu entlasten. Und schließlich hat spätestens mit den Haushaltsdebatten der Wahlkampf 2012 richtig begonnen. Obamas Berater erwarten von ihm, dass er dafür rund eine Milliarde Dollar Spendengelder einsammelt.
Eine ziemlich volle Agenda also. Und jetzt versucht der Präsident auch noch ein außenpolitisches Mammutvorhaben anzugehen: den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern.
Klingt wie ein Scherz, doch dies scheint tatsächlich das neueste Projekt von Krisenmanager Obama zu werden.
“Der Präsident wird in den kommenden Wochen detaillierter über Amerikas Politik im Nahen Osten und Nordafrika sprechen”, hat US-Außenministerin Hillary Clinton gerade angekündigt. Sie versprach einen “neuen Anlauf für einen umfassenden Frieden zwischen Israelis und Palästinensern”.
Obama bekräftigte zuvor schon bei einem Treffen mit Israels Präsident Schimon Peres: “Während der Wind des Wandels durch die arabische Welt bläst, ist es dringender denn je, dass wir die Gelegenheit zu einer friedlichen Lösung nutzen.”
Hinter Washingtons Kulissen heißt es, Obama werde bald eine Rede zu seinem neuen Nahostplan halten – vielleicht noch vor dem nächsten Washington-Besuch von Israels Premier Benjamin Netanjahu Ende Mai.
“Wir haben viel Zeit vergeudet”
Es wäre die Rückkehr zu einer der größten Baustellen seiner Präsidentschaft. Nach rund anderthalb Jahren im Amt kann der Demokrat Obama so gut wie keine Fortschritte in der Region vorweisen. Dabei war er mit großen Erwartungen gestartet, gerade die Palästinenser erhofften sich von ihm eine fairere Behandlung als von Vorgänger George W. Bush – der unerschütterlich an der Seite Israels stand.
Obama erhöhte zunächst tatsächlich den Druck auf Israel, er wollte von Netanjahu einen Stopp der umstrittenen Siedlungen im Westjordanland erreichen. Doch der erfahrene Israeli ließ ihn geschickt abblitzen, seither gilt sein Verhältnis zum Weißen Haus als zerrüttet. Die Palästinenser wiederum haben beharrlich weitere Verhandlungen abgelehnt, solange es keinen Fortschritt bei der Siedlungspolitik gibt.
Viele hielten Obamas Fixierung auf diese Frage ohnehin für einen schweren Fehler. “Wir haben anderthalb Jahre auf etwas vergeudet, das aus verschiedenen Gründen nicht erreichbar war”, kritisiert John Kerry, demokratischer Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im US-Senat. Nun aber werde das Weiße Haus bald einen neuen Anlauf unternehmen, glaubt Kerry, ein enger Obama-Vertrauter.
Eine günstige Gelegenheit
Die Gelegenheit wäre günstig, schließlich gibt es angesichts der Aufstände im Nahen Osten eine neue Gemengelage. Alte Machthaber treten ab, neue demokratische Kräfte formieren sich. Und Israel fühlt sich isolierter und könnte kompromissbereiter sein.
Die Huffington Post etwa schreibt über die prekäre Lage Jerusalems: “Obwohl Ägypten sich noch an den Friedensvertrag mit Israel hält, könnte sich das jederzeit ändern. Hisbollah kontrolliert nun Libanon. Die Türkei, einst enger Israel-Verbündeter, hasst dessen Politik in Gaza so sehr, dass sie auf Distanz geht. Und Frankreich, Deutschland oder Großbritannien haben gerade nicht mit den USA gegen eine Uno-Sicherheitsratsresolution zur Siedlungspolitik in der Westbank gestimmt.”
Obama kann schlecht weiter untätig bleiben, während der Umbruch im Nahen Osten rasant voranschreitet. Brent Scowcroft, Nationaler Sicherheitsberater unter Präsident George Bush senior, meint: “Wenn wir zu den festsitzenden Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung schweigen, während wir mehr Demokratie in anderen Ländern der Region fordern, legen wir zweierlei Maßstab an – und schaden so Amerikas Ansehen im Nahen Osten.”
Auch Außenministerin Clinton will Amerika voranmarschieren sehen, Initiativen des Nahost-Quartetts – bestehend aus der EU, der Uno, Russland und den USA – hin oder her. “Nichts kann aktive amerikanische Führung ersetzen”, betont sie.
Die USA wollen voranschreiten – sind aber unter Druck
Die Amerikaner stehen unter Zeitdruck. Der palästinensische Premier Salam Fayyad will einen souveränen Palästinenserstaat in diesem Jahr auch ohne vorherigen Friedensvertrag mit Israel ausrufen – und die Vereinten Nationen sehen die Voraussetzungen dafür als erfüllt an. Im September könnte die Uno-Generalversammlung in New York für einen solchen Schritt die ideale Bühne bieten.
Das passt Washington nicht, es will lieber eine Verhandlungslösung. Obamas neuer Plan soll auch dem wohl zuvorkommen. Eigentlich sind die Umrisse eines Nahost-Friedensplans ja auch in genug Abkommen und Aktionsplänen festgelegt – ob nun zur Aufteilung des Landes, zum Rückkehrrecht für Flüchtlinge oder Sicherheitszusagen auf beiden Seiten.
Das größte Problem bleiben aber die politischen Führer, in den Palästinensergebieten und in Israel. Zbigniew Brzezinski, Nationaler Sicherheitsberater unter Präsident Jimmy Carter, hält Anstöße zu Verhandlungen nicht für ausreichend, die zaudernden Führer bräuchten klare Vorgaben. Nötig, so Brzezinski, sei ein Rahmenplan der Amerikaner – und danach dessen entschlossene Umsetzung.
Krisenmanagement für die ganze Region
Die Frage bleibt aber, wie sehr sich Obama überhaupt auf einen solchen Prozess konzentrieren könnte. Vorgänger wie Bill Clinton sind das Nahostproblem erst am Ende ihrer Amtszeit wirklich angegangen – weil sie da innenpolitisch nicht mehr viel bewegen konnten und auf einen Eintrag in die Geschichtsbücher hofften.
Obama hingegen steckt noch mitten im Krisenmanagement, nicht nur daheim, sondern auch außenpolitisch. Gerade hat er in Libyen eingegriffen, die Lage in Syrien oder Iran beunruhigt Washington weiterhin zutiefst. Und dann ist da noch Saudi-Arabien, wichtigstes Ölförderland der Welt, dessen greise Führung mit Entsetzen den Sturz anderer Regime in der Region verfolgt – und sich von Obama im Stich gelassen fühlt.
Demokrat Obama dürfte Neigung verspüren, auch die autokratischen Saudis zum Wandel zu drängen. Aber dafür ist Saudi-Arabien zu wichtig. “Eine Revolte dort könnte seine Präsidentschaft torpedieren”, schreibt Martin Indyk, Nahostexperte der Brookings Institution in Washington, in der “Washington Post”. Also sind derzeit hochrangige US-Regierungsvertreter ständig nach Riad unterwegs, um die Wogen zu glätten. Auch diese Pendeldiplomatie könnte von einem neuen Nahost-Friedensprozess ablenken.
Den Luxus, sich auf einen Krisenherd zu konzentrieren, genießt Obama derzeit eben nicht.
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