Mr. Change’s Promises

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Die Versprechen des Mr. Change

Von Stephan-Andreas Casdorff

25.04.2011

Die Gesundheitsreform ist kein Systemwechsel, der Klimaschutz kommt nicht voran, die Wirtschaft am Boden: Barack Obama, der 44. Präsident der USA, der den 43. vergessen machen wollte, erinnert jeden Tag an ihn.

Osterzeit ist Nachdenkzeit, mit der Freiheit, wie wir gelernt haben, zu neuen Einsichten zu gelangen. Ob sie besser sind, sei dahingestellt, aber sie sind andere, das in jedem Fall. Zum Beispiel über einen Politiker, der zu den wirklich Mächtigen dieser Erde zählt; den manche schon messianisch verehrten, noch bevor er sein Amt überhaupt angetreten hatte. Erwartungen von der Art, er könne übers Wasser wandeln. Und so viel sprach dafür, oder anders: So viel sprach er dafür. Seine Worte waren wie Balsam, im Land und bei den europäischen Freunden. Gemeinsamkeit wurde beschworen, und die Rückkehr der Werte. Barack Obama, ein Name wurde zum Synonym für die Hoffnung.

Welcome Mister Change.

Heute ist es anders. Dieser Präsident, der 44. der USA, der den 43. vergessen machen wollte, erinnert jeden Tag an ihn. Sein Handeln wirkt zuweilen wie ein einziger Widerspruch. Das Versprechen, das er zu sein schien, ist zu groß für ihn. Die Wirtschaft ist am Boden, der Klimaschutz nicht vorangekommen, die Gesundheitsreform kein Systemwechsel, sondern eine Verfestigung bestehender Strukturen, die zum Teil noch auf Richard Nixon zurückgehen. Wall Street ist nicht gebändigt, sondern einflussreich auch in seiner Regierung, der Afghanistankrieg ist noch intensiver geworden, das Lager Guantanamo nicht geschlossen, die Militärtribunale sind nicht abgeschafft – überhaupt ist es so, dass er wohl auf keinem Feld seine progressiven Anhänger mehr enttäuscht hat als auf dem der Bürgerrechte.

Obama hat den Vorschlag einer “Wahrheitskommission” zur Aufarbeitung der Vergangenheit mit Folter und Entrechtung verworfen. Die beispiellose Offenheit, die es bei Dokumenten geben sollte, ist einem Verhalten gewichen, für das es ein unrühmliches Beispiel gibt: die Administration des George W. Bush. Geheimhaltung wird groß geschrieben. Obama verfolgt diejenigen, die Interna aus seiner Regierung weitergeben, aggressiver als Bush. Die konservative “Heritage Foundation” ist es darum auch alles in allem zufrieden. Sie findet wenig Unterschiede zwischen Bush und Obama, allein im Atmosphärischen. Er kann nicht übers Wasser wandeln, natürlich nicht. Er kann nicht von heute auf morgen alles ändern, gewiss nicht. Aber kann seine Politik ohne Zweifel damit begründet werden, dass die vor allem der Lage angepasst sein müsse, um das Erreichbare zu schaffen? Er, der angetreten war, um Hoffnungen und Träume wahr werden zu lassen, ist auf den Boden zurückgeholt. Fundamentaler Wandel ist seine Sache nicht. Er ist der Herr der Kompromisse.

Barack Obama nennt sich einen “extremen Pragmatiker” – und das ist die neue Einsicht: Er hat Recht. Er war doch mehr das Versprechen, das eine Mehrheit in den USA und Europa in ihm sehen will. Er bietet eine andere Sprache, aber die Antworten sind in ihrer Struktur bekannt. Sein Spielraum verläuft entlang der konservativen Traditionslinie Amerikas. Und so ist es dann auch nicht überraschend, dass mit ihm die Nato in Tripolis die Residenz Muammar al Gaddafis bombardieren lässt. Der das vor ihm tat, war auch ein großer Kommunikator, war darum auch eine Ikone, aber der Rechten: Ronald Reagan. “You can run, but you can’t hide”, sagte er. Du kannst rennen, aber verstecken kannst du dich nicht. Es könnte auch Obama gesagt haben. So ändern sich die Zeiten. Aber Ostern ist vorüber. Zeiten ändern uns, und ihn, mit jedem Tag im Amt. Die Hoffnung auf Wandel bleibt. Am Ende auch auf ihn.

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