WikiLeaks documents have exposed what goes on in America’s Guantanamo prison camp. This chapter should have ended long ago, but the realpolitik demands tribute from Barack Obama.
It was not only a symbolic act, it was an early sign of how the newly elected U.S. president envisioned his much-promised “change.” His signing of an order to close the Guantanamo prison camp on the first day after his inauguration was eagerly jumped on by the world’s media.
He meant to put an end to the days when suspected terrorists could be arbitrarily incarcerated, denied access to the courts and where the use of torture was considered an acceptable intelligence gathering tool. Surrounded by former generals, Obama proudly and confidently announced that after a swift investigation, the remaining 245 prisoners at Guantanamo would either be released, returned to their homelands or subjected to the normal U.S. civilian justice system.
The intention was twofold: The international community, and particularly the United States, would recognize that human and civil rights, as well as values like the rule of law, would be honored by the oldest and most steadfast Western democracies even in times of heightened security.
Two years after this pompous announcement, reality has caught up with the president, and his limits, along with his weaknesses, have been exposed, as has the opportunism that was camouflaged as his “ability to compromise” for so long. The WikiLeaks revelations concerning the Guantanamo prison system are less spectacular than what was advertised. The fact that many of those incarcerated were either innocent or picked up on the scantiest of evidence was just as well known as the fact that torture was employed in the course of interrogations.
It’s also common knowledge that Washington has worked closely with the “interrogation specialists” of nations like China, Russia, Saudi Arabia, Jordan, Algeria and Tunisia (and probably still does) in order to get better results. Even the fact that some of those released from Guantanamo have (again) joined terrorist organizations doesn’t surprise insiders.
On the other hand, it’s far more interesting to see how Obama and his administration have reacted to these revelations. The White House press secretary was displeased by them because they rekindled a debate that the president would rather avoid.
In parts of the Arab world, the United States must endure the accusations that it follows a double standard. It reacts to Libyan human rights abuses with air strikes and, with ever-increasing vehemence, criticizes Syria’s President Assad for his treatment of those protesting his rule, going so far as to threaten increased sanctions. Yet it tolerates its own unconstitutional behavior at Guantanamo.
Domestic Political Constraints
Domestically, the president is taking fire from all sides of the political spectrum. While liberals are becoming increasingly disappointed with Obama, the conservatives are gleefully rubbing their hands in anticipation of yet another issue to use against him in the coming elections. That’s why Obama’s actions concerning Guantanamo must be analyzed first and foremost from the standpoint of domestic politics.
Obama basically has two options. He can placate the liberal wing of his party by doing what he promised early on and actually close Guantanamo and put terrorists like Khalid Sheik Mohammed, suspected 9/11 mastermind, on trial in civil court.
The fact that he did not choose this approach became apparent at the beginning of April, on the dame day he announced his intention to run for reelection. That’s when he announced that contrary to his promise to try Mohammed in civilian court, the suspected terrorist would face a military tribunal at Guantanamo.
Thus, Obama did a complete about-face within two years, thereby fulfilling the wishes of the Republican majority in the House that had vehemently opposed doing away with the military tribunals. Mitt Romney, prospective Republican candidate for the presidency in 2012, smugly commented that this was just further proof of Obama’s lack of conviction.
Future Deals
This shows that with his latest shift, Obama practices realpolitik not only with foreign policy. His main focus is next year’s presidential election and a working relationship with the Republican House of Representatives upon whom his domestic policies are dependent. He’s not prepared to sacrifice those goals to his opponents for the sake of some terrorist’s supposed rights. Whoever doesn’t grasp that doesn’t really understand Barack Obama.
Es geht um Politik, nicht um Werte
Von Franz Eder
27. April 2011, 18:28
Wikileaks-Veröffentlichungen geben den Blick frei auf die Vorgänge im US-Gefangenenlager Guantánamo. Dieses Kapitel sollte längst geschlossen sein, aber die Realpolitik verlangt ihren Tribut von Barack Obama.
Es war nicht nur ein symbolischer Akt, sondern ein erstes Zeichen, wie sich der neugewählte US-Präsident seinen vielbeschworenen Wandel vorstellte. Die Unterschrift Barack Obamas am ersten Tag nach seiner Amtseinführung unter eine Verfügung zur Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo wurde medial ausgeschlachtet.
Die Zeiten, in denen potenzielle Terroristen willkürlich verhaftet und unbegrenzt festgehalten werden konnten, in denen ihnen der Zugang zu ordentlichen Gerichten verwehrt und Folter als akzeptables Mittel nachrichtendienstlicher Informationsgewinnung angesehen wurde, sollten ein Ende finden. Umringt von ehemaligen Generälen verkündete Obama stolz und selbstbewusst, die letzten 245 Gefangenen nach einer raschen Überprüfung entweder freizulassen, sie in ihre Herkunftsländer oder vor ordentliche Gerichte in den USA zu bringen.
Es war ein Akt mit zweifacher Bedeutung: Die internationale Staatengemeinschaft, vor allem aber Amerika selbst sollte erkennen, dass Menschen- und Bürgerrechte und Werte wie Rechtsstaatlichkeit von einer der ältesten und standhaftesten westlichen Demokratien auch in sicherheitspolitisch schwierigen Zeiten hochgehalten werden.
Zwei Jahre nach dieser pompösen Ankündigung hat die Realität den Präsidenten aber längst eingeholt und die Grenzen und Schwächen Obamas, als auch seinen als "Kompromissfähigkeit" getarnten Opportunismus aufgezeigt. Die Enthüllungen von Wikileaks über das Gefangenensystem auf Kuba sind weniger spektakulär als vielerorts dargestellt. Dass viele der auf Guantánamo Festgehaltenen entweder unschuldig oder unter äußert fragwürdigen Anschuldigungen inhaftiert wurden, war ebenso bekannt wie die Anwendung von Folter bei Verhören.
Genauso wenig ist es ein Geheimnis, dass Washington eng mit Staaten wie China, Russland, Saudi-Arabien, Jordanien, Algerien oder Tunesien zusammengearbeitet hat (und es wohl immer noch tut), um in Kooperation mit deren "Verhörspezialisten" zu besseren Ergebnissen zu kommen. Selbst der Umstand, dass einige der aus Guantánamo Entlassenen sich (wieder) terroristischen Organisationen angeschlossen haben, überrascht Insider nicht.
Viel interessanter ist jedoch der Umgang Obamas und seiner Administration mit diesen Enthüllungen. Der Pressesprecher des Weißen Hauses zeigte sich wenig erfreut über die Veröffentlichungen, weil sie eine Debatte wiederbeleben, die der Präsident gerne vermieden hätte.
Vonseiten der arabischen Welt müssen sich die USA den Vorwurf gefallen lassen, mit zweierlei Maß zu messen. Während man im Falle Libyens auf Menschenrechtsverletzungen mit Luftschlägen reagiert und Syriens Präsident Assad für seinen "Umgang" mit oppositionellen Protesten im eigenen Land immer vehementer kritisiert und sogar mit verstärkten Sanktionen droht, toleriert Washington die Vorgänge in Guantánamo außerhalb rechtsstaatlicher Standards.
Innenpolitische Zwänge ...
Innenpolitisch gerät der Präsident von beiden Seiten des politischen Spektrums unter Druck. Während die Linke in den USA zunehmend enttäuscht über Obama ist, reibt sich die Rechte die Hände und kann im aufkeimenden Vorwahlkampf zu den Präsidentschaftswahlen ein weiteres Thema besetzen, mit dem sie Obama vor sich hertreiben will. Der Umgang des Präsidenten mit der Auflösung Guantánamos muss daher vor allem unter innenpolitischen Gesichtspunkten analysiert werden.
Obama stehen dabei prinzipiell zwei Optionen zur Verfügung. Er könnte den liberalen Flügel seiner Partei befriedigen, indem er seine zu Beginn der Amtszeit angekündigte Auflösung des Gefangenenlagers tatsächlich umsetzt und Terroristen wie Khalid Sheikh Mohammed, den vermeintlichen Planer der Anschläge vom 11. September 2001, vor ein ordentliches Bundesgericht bringt.
Dass der Präsident nicht diese Variante gewählt hat, zeigte sich jedoch Anfang April. Am selben Tag, an dem er die Kampagne zu seiner Wiederwahl startete, verkündete das Justizministerium, den Prozess gegen den Mastermind der Anschläge nicht - wie immer wieder angekündigt - vor einem ordentlichen Gericht, sondern vor einem Militärtribunal zu führen.
Damit vollführte Obama innerhalb von zwei Jahren eine 180-Grad-Wende und erfüllt damit die Forderung der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus, die sich vehement gegen die Abschaffung der Militärtribunale zur Wehr setzte. Süffisant kommentierte Mitt Romney, einer der potenziellen republikanischen Herausforderer im Kampf um das Präsidentenamt, diesen Schwenk auch als ein weiteres Zeichen der Wankelmütigkeit des amtierenden Präsidenten.
... und Deals für die Zukunft
Dieser zeigt mit diesem Meinungsumschwung einmal mehr, dass er nicht nur nach außen eine realistische Politik verfolgt. Sein Hauptaugenmerk liegt auf der Wiederwahl im nächsten Jahr und auf einem funktionierenden Verhältnis zu den Republikanern im Kongress, auf die er für seine innenpolitischen Vorhaben angewiesen ist. Diese Ziele opfert er nicht einem Kräftemessen mit politischen Gegnern um die vermeintlichen Rechte potenzieller Terroristen. Es geht Obama um Politik und seine Wiederwahl, nicht um Werte! Wer das nicht versteht, verkennt die Person Barack Obama. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.4.2011)
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