Teeren und Federn
von Uwe Kalbe
06.05.2011
Die Bundeskanzlerin hat jetzt ein Problem. Als Christin hätte sie nicht sagen dürfen, dass sie sich freute über den Tod Osama Bin Ladens. Und als Kanzlerin? Der US-Präsident hat ein Problem. Er hätte konsequent bei der Version bleiben sollen, dass Osama im Kampf oder wenigstens nach einem Kampf getötet wurde. Denn das weiß jeder Freund des Western: Geschossen wird nicht auf den wehrlosen, sondern nur auf den bewaffneten Bösewicht. Sonst ist es Mord.
Moralisieren als Politikersatz. Merkels Kritiker räumen ein, auch sie seien erleichtert. Erleichterung ist angemessen, Freude nicht? So groß sind die Unterschiede bei der Bewertung eines Vorgangs, der selbst nicht in Frage gestellt wird. »Tötungen« Mord zu nennen, fordert jenes Recht, mit dem der Westen gern eine moralische Überlegenheit begründet – in den USA zumindest ohne Richterurteil, in jedem Fall auch an Bösewichten.
Eine Überdosis Western hat sich mittlerweile in der Exekutive des Westens eingenistet. Auch die Sicherungsverwahrung in Deutschland gehörte in dieses Filmfach. Zu viel Empathie für Schwerverbrecher wurde gern den Kritikern unterstellt. Selbst wenn Karlsruhe (erneut) anders entschieden und sie weiter geduldet hätte, ging es doch um eine Zusatzstrafe für bereits Verurteilte. Zum Schutz vor vermeintlichen Schwerverbrechern sollte man nicht vom wilden Westen lernen wollen – oder gleich Teer und Federn verteilen.
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