Edited by Amy Wong
Medienhype um Donald Trump Der inszenierte Doch-nicht-Präsident
17.05.2011, 11:24
Von Tobias Moorstedt
Immobilientycoon, Mulimilliardär, Reality-TV-Star und dann Präsident? Die Kampagne des Donald Trump glich oftmals einer Realsatire, doch seine konervativen Provokationen trafen den Nerv vieler Amerikaner. Für das höchste Amt der USA reicht das allerdings nicht.
Nun also doch nicht. An diesem Montag hat Donald Trump nach wochenlangem Verwirrspiel erklärt, er werde nicht bei der nächsten US-Präsidentenwahl antreten. Die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen, teilte er mit. Aber als leidenschaftlicher Geschäftsmann sei er einfach noch nicht bereit, die Welt der Wirtschaft zu verlassen, um Politiker zu werden.
Zuvor hatten amerikanische Medien, auch die seriösen, fast täglich über Trump und seine vermeintlich politische Agenda berichtet. Das wirkte schon schrill. Noch schriller wirkt es jetzt, da die große, bunte Blase geplatzt ist.
Einer, der sich früh wunderte, war der Fernsehproduzent R. J. Cutler. Er hat in seiner langen Karriere Reality-TV-Sendungen über Krankenhäuser, Schulen und fanatische Hundebesitzer gemacht. Der mehrfache Emmy-Preisträger weiß, was Menschen bereit sind zu tun für diese 15 Minuten auf dem Bildschirm.
Als er aber in den vergangenen Wochen den Fernseher anschaltete, traute selbst Cutler seinen Augen nicht mehr. Auf allen Kanälen sah er Donald J. Trump, den Immobilien-Mogul, Casino-Besitzer und Moderator der Sendung Apprentice (etwa: Lehrling), bei der sich arbeitslose Kandidaten um einen Job in Trumps Firmen-Konglomerat bewerben.
Trump war schon immer weniger Geschäftsmann als Geschäftsmanndarsteller, der die Buchstaben T-R-U-M-P auf jeden greifbaren Glasturm kleben lässt. Nun aber stand Donald Trump plötzlich vor den Kameras von CNN, NBC, CBS und sagte: “Ich könnte ohne Probleme der beste Präsident in der Geschichte von Amerika werden.” R. J. Cutler schaute zu und fragte sich: Meint der das ernst?
Cutler hat 1992 die Dokumentation War Room über den Wahlkampf von Bill Clinton produziert, der als erster Präsident erkannt hatte, dass er durch die Fernsehkanäle “direkt zum amerikanischen Volk” sprechen kann. 2004 kreierte Cutler dann die Reality-TV-Show American Candidate, in der ein politisches Nachwuchstalent gesucht wurde.
Trump in Umfragen besser als etablierte Politiker
Was damals halb Satire, halb Science-Fiction war, schien nun Realität zu werden: Der Star einer Casting-Show verwandelte sich zu einem Kandidaten für das höchste Amt der USA. Ende April lag Donald Trump in Umfragen bei konservativen Wählern vor etablierten Politikern wie Mitt Romney oder Newt Gingrich. Laut dem angesehenen Pew Research Center hielten ihn 26 Prozent der Amerikaner für den präsentesten aller Kandidaten. Wie konnte es soweit kommen?
Im März machte Trump eine Tour durch TV-Studios und warb für die neue Staffel seiner Show Apprentice. In den Interviews sprach er dann über Fehler der Obama-Administration und darüber, welche Politiker er feuern würde. Seine These: Wer erfolgreich ein Unternehmen leitet, hat das Format fürs Weiße Haus.
Politik auf dem Niveau von Zlatko
Trump, bald 60 Jahre, drei Ehen, diverse Pleiten, war nie als strammer Konservativer aufgefallen. Nun folgte er einem neuen Drehbuch, wetterte gegen die UN, die Homo-Ehe und bezweifelte öffentlich, dass Barack Obama in den USA geboren wurde. “Unser Land wird von den Chinesen vergewaltigt”, sagte Trump. Oder: “Ich würde der Opec befehlen, den Ölpreis zu senken.” Bei ihm wurde die komplexe Welt des 21. Jahrhunderts plötzlich simpel und flach.
Trump reiste von Bundesstaat zu Bundesstaat, stieg winkend aus dem eigenen Hubschrauber und hielt Reden bei konservativen Thinktanks und Frauenorganisationen. Er tat, was ein Kandidat tun muss. Nur auf die Frage, ob er das wirklich alles ernst meint, gab er bis zu diesem Montag keine Antwort.
Der Mann folgte dem Karriere-Ratgeber für Reality-TV-Stars: Er fiel auf – um jeden Preis. Die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften verglich er mit “diesen neumodischen langen Golf-Puttern. Immer mehr Leute machen es, aber ich bin dagegen. Ich bin Traditionalist”.
Das mochte Politik auf dem Niveau von Zlatko Trpkovski sein, dem Star der deutschen Premierenstaffel von Big Brother. Aber es war Realsatire mit realpolitischen Folgen: Donald Trump entfachte so viel Wirbel, dass Barack Obama sich veranlasst sah, seine Geburtsurkunde zu veröffentlichen.
Wenig später stieg Trump winkend aus seinem Hubschrauber, trat vor die Kameras und meinte: “Ich bin froh und stolz, diese Kontroverse gelöst zu haben.” Reality-TV-Shows und Politik haben mehr miteinander zu tun, als es zunächst den Anschein haben mag.
In der Politik bekommt wie im Reality-TV jeder eine Chance
Die Kandidatenfelder von Sendungen wie American Idol (deutsche Version: DSDS) oder Apprentice sind meist ein penibel designter Mikrokosmos der Gesellschaft, die von Casting-Agenten nach demographischen Kriterien zusammengestellt werden – ein Akademiker, ein Arbeiter, ein Afro-Amerikaner, ein Homosexueller – und das moderne Amerika oft besser repräsentieren als etwa der US-Kongress, in dem kaum Angehörige ethnischer Minderheiten sitzen.
Die Struktur der Shows, in denen Kandidaten vom Publikum “rausgewählt” werden, schreibt der Kulturkritiker Mark Greif vom Magazin n+1, “gibt auf verzerrte Art und Weise das alte Ethos der Republik wieder, in der alle Teilhaber trotz unterschiedlicher Fähigkeit gleichberechtigt sind und nach und nach eine Person auswählen, die am besten dazu geeignet scheint, für die Allgemeinheit zu sprechen”.
Die nächsten Fernsehstars warten schon
Greif sieht Reality-TV-Shows als politische Allegorien, stellt aber fest, dass der urdemokratische Ansatz mit dem “darwinistischen Wettbewerbsmodell vermischt wurde”. In der Politik wie im TV-Container bestimmt das rot leuchtende Record-Signal der Kamera das Leben.
Alles spielt sich vor den Kameras ab; man muss sie vergessen und zugleich bedienen. Reality-TV-Shows, das zeigt die Geschichte von Donald Trump, können einen auf die Politik der Gegenwart vorbereiten. Ihre erste Lektion lautet: In der Aufmerksamkeitsökonomie gewinnt man politisches Kapital vor allem durch Bildschirmpräsenz.
Donald Trump hat sich selbst aus dem Rennen genommen. Aber es gibt weitere Fernsehstars im Kandidatenfeld der amerikanischen Konservativen. Auch Tea-Party-Ikone Sarah Palin und Mike Huckabee, Ex-Prediger und Ex-Gouverneur von Arkansas, haben ihre Shows – und stehen in Meinungsumfragen gut da.
Aber ist ein fester Sendeplatz heute wirklich wichtiger als der berühmte politische Stallgeruch? Die Kommentare, die Donald Trump als Favoriten der Republikaner darstellten, gaben ein verzerrtes Bild der Realität wieder. Denn, wie ein Blogger der New York Times, Jim Rutenberg, kürzlich darlegte: “In einem so frühen Stadium des Kampagnenzyklus geben Umfragen nur die Bekanntheit eines Namens wieder.” Nicht mehr.
Amerikas Nachrichtenmedien spielten in der realen Reality-TV-Show des Donald Trump keine rühmliche Rolle. “Die Industrie der Politik-Analysten und Meinungsfürsten kann es nicht erwarten, bis der Wahlkampf endlich losgeht”, schrieb Rutenberg, “sie brauchen Futter und einen Vorwand für taktische Spekulationen.”
Fragte man vor seiner Erklärung vom Montag in US-Redaktionen nach, warum Trump so viel Aufmerksamkeit erhält, hieß es meist: Er ist populär. Der Verweis auf die Sichtbarkeit einer Figur, die man durch die eigenen Interviews erst herstellt, legitimiert die fortgesetzte Berichterstattung, die sich bei Prüfung der Motive und Thesen eigentlich erübrigen sollte.
Casting-Show Karrieren sind kurz
Die aktuellen Quoten von Trumps Show The Apprentice sind im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 20 Prozent gestiegen. Im Durchschnitt schalten jede Woche mehr als acht Millionen Amerikaner ein. “Seine Karriere ist ein Beweis für die Macht des Fernsehens”, sagt TV-Produzent Cutler, “und für die Weisheit der amerikanischen Wähler.”
Zuletzt verdichteten sich die Anzeichen, dass dem Reality-TV-Spezialisten ein böses Erwachen in der Realität drohte. Seine Umfragewerte sanken. Werbepartner und das politische Establishment gingen zunehmend auf Distanz. Trump, so scheint, hat sich gerade noch rechtzeitig an das erste Gesetz des Genres erinnert: Eine Karriere als Casting-Show-Gewinner ist turbulent – aber vor allem kurz.
Yes, the wisdom of American voters.
Someday we’ll see it demonstrated.