The Republican Retreat into Isolationism

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US-Republikaner verkriechen sich im Isolationismus

Von Ansgar Graw

17.06.2011

Eine amerikanische Außenpolitik ohne internationales Engagement passt schlecht zu einer Zeit, in der andere Mächte zum Sprung ansetzen.

Barack Obamas Sprachrohr hat unrecht. Nach der ersten TV-Debatte der republikanischen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2012 spöttelte Robert Gibbs, bis vor vier Monaten Sprecher des Weißen Hauses, man solle doch mal das Sendeband überprüfen. Habe es sich etwa um die Wiederholung einer acht Jahre alten Sendung gehandelt? Nein, es war keineswegs eine Konserve, die am Montagabend von CNN vorgeführt wurde. Unter den sieben Republikanern, die vor den Kameras ihr Schaulaufen für die parteiinternen Primaries des kommenden Jahres starteten, finden sich zwar Wiedergänger aus früheren Wahlkämpfen. Aber einige der Positionen, mit denen die Kandidaten heute um die Gunst der „Grand Old Party“ werben, unterscheiden sich eklatant von denen der Bush-Ära.

Das gilt besonders für die Außenpolitik. Der einstige missionarische Eifer der Republikaner, amerikanische Werte wie Freiheit und Demokratie notfalls mit militärischen Mitteln in die Welt zu tragen, ist einem klosterbrüderlichen Rückzug ins sichere Gemäuer gewichen. Mitt Romney, nach den Umfragen aussichtsreichster Bewerber seiner Partei, befindet mit Blick auf Afghanistan, es sei „Zeit für uns, unsere Soldaten so früh wie möglich nach Hause zu holen“. Immerhin, so schränkt der vormalige Gouverneur des liberalen Massachusetts und gescheiterte Kandidat des Jahres 2008 ein, würde er zuvor seine Generäle fragen.

Appell an die Instinkte des amerikanischen Isolationismus

Der Abgeordnete Ron Paul, der ebenfalls 2008 für die Republikaner antreten wollte und 1988 Kandidat der Libertären Partei war, argumentierte noch dezidierter. „Ich bin der Commander-in-Chief. Ich treffe die Entscheidungen. Ich sage den Generälen, was zu tun ist“, sagte Paul unter Vorwegnahme eines Wahlsieges über Obama. Er würde die US-Truppen „so schnell wie möglich“ aus Afghanistan abziehen, „keinen Krieg in Libyen starten und die Bombardierung des Jemen und Pakistans stoppen“.

Zwar dürfte Paul, der einige Minuten zuvor in geografischer Kühnheit gefordert hatte, mehr über die „Sicherung unserer Grenzen und weniger über die Grenzen zwischen dem Irak und Afghanistan nachzudenken“, in den Vorwahlen erneut chancenlos untergehen. Aber sein Appell an die Instinkte des amerikanischen Isolationismus befremdete seine Mitbewerber kaum. Newt Gingrich, in den 90er-Jahren Sprecher des Repräsentantenhauses, rief ebenso zum Rückzug von der Libyen-Mission auf wie die mit der Tea Party verbandelte Abgeordnete Michele Bachmann, die zugleich sauer ist, dass ihr Präsident vor Tripolis das Kommando an Frankreich abgab.

Nabelschauende amerikanische Außenpolitik

Immerhin wollte Tim Pawlenty, auf konservativem Ticket reisender Ex-Gouverneur von Minnesota, die Drohneneinsätze gegen Terrorzellen im Jemen fortsetzen. Der Geschäftsmann Herman Cain, einziger schwarzer Kandidat im Republikaner-Feld, steuerte die Erkenntnis bei, dass man in Libyen mit „absolutem Chaos“ konfrontiert sei. Lediglich Rick Santorum, ehemals Senator in Pennsylvania, der wenig Vertrauen in die Verhandlungsbereitschaft von Muslimen setzt, warb für eine Außenpolitik in enger Zusammenarbeit mit Verbündeten. Die außenpolitischen Vorstellungen der Präsidentschaftskandidaten werden nicht die Wahlen entscheiden. Aber eine nabelschauende amerikanische Außenpolitik, die sich dem internationalen Engagement verweigert, würde die Welt massiv verändern in einer Zeit, in der regionale Mächte wie der Iran und globale Mächte wie China zum Sprung ansetzen.

Beim Übergang von Bush zu Obama blieb Washingtons Außenpolitik in der Substanz konstant. Zwar sucht Obama den multilateralen Konsens dort, wo Bush unilaterale Entscheidungen traf und Verbündete vor die Alternative stellte, mit den USA zu gehen oder gegen sie zu stehen. Doch auch dieser Präsident orientiert seine Außenpolitik an den amerikanischen Interessen, wie seine Truppenaufstockung am Hindukusch demonstrierte. Nachdem ihm die eigene Partei in der Afghanistan-Politik längst die Gefolgschaft aufgekündigt hat, droht nun die bizarre Entwicklung, dass republikanische Wahlkämpfer einen schnelleren Rückzug aus Afghanistan fordern, als es der demokratische Präsident verantworten will.

Obamas Konkurrenten ohne neue Ideen

Für die Kandidaten geht es in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit vor allem um die Demonstration von ökonomischem Sachverstand und der Fähigkeit, Jobs zu schaffen. Doch dazu – an dieser Stelle möchte man Gibbs recht geben – war in der Diskussionsrunde wenig Innovatives zu hören. Steuern runter, weg mit Obamas Gesundheitsreform, weg mit Regulierungsbehörden – so simpel klangen die Rezepte. Bestechende Ideen, wie der Immobilienmarkt stabilisiert und der Export angekurbelt werden könnte, lieferten die Bewerber nicht.

Den derzeit aussichtsreichsten Kandidaten Romney will der konservative Flügel der Republikaner stoppen. Der Ex-Gouverneur habe seine Positionen zu konservativen Herzthemen wie Waffenkontrolle, Abtreibungen und Homoehe allzu oft geändert. Zu Romneys Mühlstein könnte jene Gesundheitsreform werden, die er als Gouverneur in Massachusetts einführte. Der Präsident preist sie genüsslich als Vorbild für seine eigene Reform an. Pawlenty emulgierte daraufhin den erweiterten Kampfbegriff „Obamneycare“.

Wirtschaftsaufschwung ist der Schlüssel

Das Bewerberfeld ist noch nicht geschlossen. Jon Huntsman, Ex-Botschafter in China, kommt hinzu, vielleicht auch Rick Perry, Gouverneur von Texas. In einer Zeit, in der sich mehr Amerikaner eher als „unabhängig“ denn als „Republikaner“ oder „Demokrat“ definieren, hätte nur jemand Chancen auf einen Sieg gegen Obama, der sich in den Diskussionen und ab Februar in den Primaries nicht zu weit in die rechte Ecke drängen lässt. Zugleich muss sich der Wähler den Kandidaten tatsächlich im Oval Office vorstellen können (was im Fall der wohl nicht antretenden Sarah Palin selbst dem Großteil ihrer Fans nicht möglich ist).

Am Ende wird, so die historische Erfahrung, kein neuer Präsident gewählt, sondern der Amtsinhaber bestätigt – oder in die Wüste geschickt. Obama steht nach der Liquidierung von Terrorchef Osama Bin Laden in der Wählergunst besser dar als vor einem Jahr. Aber sollte bis November 2012 die Wirtschaft nicht Fahrt aufgenommen haben, droht ihm die Verweigerung einer zweiten Legislatur.

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