The Taliban Has Timebut Obama Doesn’t

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Die Taliban haben Zeit – Obama nicht

Von Steffen Richter

20.6.2011

Die USA führen Gespräche mit den Taliban. Das ist vernünftig, doch die radikalen Islamisten haben einen entscheidenden Verhandlungsvorteil. Ein Kommentar

Seit dem vergangenen Wochenende ist es offiziell: US-amerikanische Militärs sprechen mit Taliban-Vertretern. Der Schritt ist nachvollziehbar und vernünftig, wenngleich man bislang noch nicht weiß, wer genau mit wem redet und wer die Taliban überhaupt vertreten kann. US-Verteidigungsminister Robert Gates gab sich auf Nachfrage dazu bedeckt.

Die Taliban sind ein Teil der afghanischen Gesellschaft, auch wenn sie von den meisten Afghanen wegen ihrer Intoleranz und Gewalttätigkeit kaum wohl gelitten sind. Sie gehören zu den Paschtunen, die die zahlenmäßig größte Volksgruppe Afghanistans stellen und ein wichtiger Machtfaktor im Land sind. Irgendeine Form der Verständigung mit ihnen ist daher hilfreich – für das Land und für die Isaf-Nationen.

Sinnvoll sind Gespräche mit den Taliban auch im Hinblick auf das ursprüngliche Ziel des Afghanistan-Einsatzes. Nach dem 11. September 2001 sollte die Terrorzelle von al-Qaida am Hindukusch ausgeschaltet und deren Anführer Osama bin Laden gefasst werden. Ersteres war bald gelungen, doch wendete sich der Einsatz daraufhin rasch gegen die Taliban, die in Afghanistan eine strenge Herrschaft aufgebaut und die Terroristen für gutes Geld im Land geduldet hatten.

Die Taliban sind zwar schon lange nicht mehr an der Macht, gänzlich verschwunden aus Afghanistan sind sie nie. Der Westen musste feststellen: Komplett besiegen lassen sie sich offensichtlich nicht. Zu gut verstecken sich ihre Krieger in den Bergen, zu unerschöpflich ist der Nachschub an Waffen und Material zum Bombenbau.

Ihr entscheidender Vorteil aber ist ein anderer: Die Taliban haben Zeit. Während in den USA, Deutschland und vielen anderen Isaf-Ländern die Debatte um die richtige Afghanistan-Strategie mehr und mehr zu einer Debatte um das richtige Abzugsdatum wird, müssen die Taliban nichts weiter tun als ausharren. Denn sie wissen: Sie werden auch noch am Hindukusch sein, wenn die Isaf-Truppen längst abgezogen sind.

Das gibt ihnen in künftigen Gesprächen mit US-Vertretern einen wichtigen Verhandlungsvorteil. Ein weiterer ist der Umstand, dass die paschtunischen Taliban keine Anschläge im westlichen Ausland verüben wollen – sie wollen Afghanistan von ausländischen Truppen befreien. Eine Gefahr für den Westen sind sie nicht.

Die wichtigere Frage aus westlicher Perspektive ist daher, ob al-Qaida am Hindukusch heute noch eine Gefahr ist. Das wird aber man erst wissen, wenn die Isaf-Truppen aus Afghanistan abgezogen sind. Nur würde die US-Regierung heute mit Ländern, die international gefährliche Terroristen beherbergen, keinen Krieg mehr beginnen. Würde Afghanistan erneut ein internationales Sicherheitsrisiko, kämen wohl unbemannte Drohnen zum Einsatz.

Wie das funktioniert, kann man beispielsweise in den Stammesgebieten im Nordwesten Pakistans sehen. Dort haben am Montag erst zwei US-Drohnen sechs militante Islamisten des afghanischen Netzwerks von Dschalaluddin Hakkani getötet. Auch mit Drohnen wird daher Krieg geführt, auch sie treffen oft genug unschuldige Zivilisten. Doch ein Drohnenkrieg schont eben das Leben der eigenen Soldaten und kostet weniger Geld. Vor allem aber: Er lässt sich leichter wieder beenden.

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