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Posted on June 23, 2011.
Straßen für Baltimore statt Krieg in Kandahar
Von Martin Klingst
23.6.2011
Ein Drittel der US-Soldaten will Obama bald aus Afghanistan nach Hause holen. Das spart Geld für den Aufbau der eigenen Nation.
Seine Berater hatten dem US-Präsidenten einen weitaus langsameren Rückzug empfohlen. Nun aber hat Barack Obama der Nation verkündet: Bis 2014 sollen fast alle US-Truppen aus Afghanistan verschwunden sein.
Bis Ende dieses Jahres will der Präsident 10.000 Soldaten heimholen, weitere 23.000 sollen bis September 2012 folgen. Damit hätte Obama ein Drittel der insgesamt 100.000 in Afghanistan stationierten Militärs binnen eines guten Jahres abgezogen. Der Präsident stellt sich mit diesem Plan gegen den Rat seiner Generäle, gegen die Bedenken seiner Außenministerin und seines scheidenden Verteidigungsministers.
Erst im Dezember 2009 hatte Obama die Armee in Afghanistan um genau dieses eine Drittel aufstocken lassen, welches er jetzt wieder abzieht. Die Berater des Präsidenten befürchten, dass die Erfolge der Aufstockung, Surge genannt, leichtfertig verspielt werden könnten. Die einst von den Taliban beherrschten Südprovinzen Helmand und Kandahar, heißt es, seien weitgehend befreit und befriedet. Eine zu rasche Truppenreduzierung könnte die Taliban wieder aus der Deckung locken.
Eine versteckte Botschaft überrascht
Doch Obama hat Amerikas Pläne am Hindukusch drastisch gestutzt. Niemand redet mehr von dem Aufbau einer Nation und von allgemein friedlichen Verhältnissen. Es geht allein um die Bekämpfung und Vernichtung von Terroristen, und dieses Ziel glaubt man weitgehend erreicht zu haben, nicht nur mit der Erschießung Osama bin Ladens.
Nicht die Nachricht vom Truppenabbau überraschte, sondern die darin versteckte Botschaft. Denn sie beinhaltet einen Paradigmenwechsel, nicht nur für Amerika, sondern ebenso für seine Verbündeten und Schutzbefohlenen.
Diese Botschaft lautet: Aufgepasst, die Vereinigten Staaten von Amerika wollen und können sich keine fernen Kriege mehr leisten. Vor allem, wenn sie nicht von außen erzwungen werden und der Selbstverteidigung oder unbedingten Interessenwahrung dienen.
Die Botschaft bedeutet: Liebe Freunde, ihr müsst künftig selber mehr für Eure Sicherheit und die Sicherheit Eurer Nachbarn tun. Amerika kann die menschlichen, sozialen und finanziellen Kosten eines Krieges nicht mehr alleine schultern. Erst recht nicht, wenn das viele Geld dafür nicht selber erwirtschaftet wird, sondern von Staaten wie China gepumpt werden muss.
Für die Kriege in Afghanistan und im Irak mussten die Vereinigten Staaten bislang 1,3 Billionen Dollar aufbringen. Allein die Kämpfe in Afghanistan verschlingen Jahr für Jahr 120 Milliarden Dollar. Amerikas Schuldenberg hat inzwischen die schwindelerregende Höhe von mehr als 14 Billionen Dollar erreicht.
Kein Wunder also, dass die Amerikaner ihre Kriege satt haben. Dieser Meinungswandel erfasst auch die Parteien. Sogar die Republikaner, die unter George W. Bush scheinbar nicht genug Kriege führen konnten, blasen zum Rückzug aus Afghanistan und finden wenig Gefallen an Amerikas militärischem Engagement in Libyen.
Das färbt auch auf die Präsidentschaftskandidaten ab. Den Ton geben jene an, die Amerikas militärisches Weltengagement drastisch einschränken wollen. Einige von ihnen sind bekennende Isolationisten, andere folgen dem Diktat der Not leidenden Verhältnisse.
John McCain, der konservative Präsidentschaftsbewerber von 2008 und Befürworter einer omnipräsenten amerikanischen Militärmacht, kämpft heute auf verlorenem Posten. So schnell kann sich das Blatt wenden.
Jüngst mischte sich auch Amerikas Bürgermeister in die Außen- und Verteidigungspolitik ein. Zum ersten Mal wieder seit dem Ende des Vietnamkrieges. Auf ihrer Tagung verabschiedeten sie eine Resolution mit der Forderung, Straßen in Baltimore statt in Kandahar zu bauen. Und lieber Amerika reparieren und erneuern statt Irak und Afghanistan.
Schon damals, als Obama im Dezember 2009 die vorübergehende Truppenaufstockung beschloss, warnte er sein Land davor, sich an den Kriegen zu verheben. Im Angesicht rostender Brücken, maroder Schulen und veralteter Flughäfen forderte er: Der Aufbau der Nation müsse daheim in Amerika beginnen.
Angesichts von 14 Millionen Arbeitslosen wird ihm da kaum jemand widersprechen. Schon gar nicht anderthalb Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl.
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